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geschrieben von Patrick Caic-Pröll

Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht zum Zusammenbruch der Arbeitsmoral führen wird.

Es ist das Horrorszenario eines jeden Menschen, der sich gegen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausspricht. Würde jede Person monatlich einen zum Leben reichenden Betrag überwiesen bekommen, so würden alle ihre Jobs kündigen und nur noch auf der faulen Haut liegen. Also alle, außer einem selbst natürlich, schließlich ist man ja kein Faulpelz. Aber die Anderen, die würden mit Sicherheit nichts mehr tun, wenn sie nicht mehr müssten, schließlich ist der Mensch von Natur aus träge…Anwesende natürlich ausgeschlossen!
Jeder, der schon einmal versucht hat, fremden Personen das Konzept des BGEs zu erklären, wird diesen Gesprächsverlauf schon erlebt haben. Auch wenn niemand genau wissen kann, was bei einer Einführung eines BGEs passieren wird, erscheint die Annahme, dass alle Menschen, außer denjenigen, mit denen man persönlich gesprochen hat, alles hinschmeißen würden, schon etwas abstrus. Dennoch ist eine Beschäftigung mit diesem Argument gegen das BGE notwendig und sinnvoll.
Zunächst einmal muss man sich die Frage stellen, warum wir eigentlich erwerbstätig sind. Selbstverständlich spielt hier die Existenzsicherung eine große Rolle, doch ist sie wirklich die einzige? Als kleines Gedankenexperiment könnte man sich beispielsweise eine Ärztin ansehen. Bekanntermaßen übt diese einen sehr fordernden Beruf aus, mit sehr langen Arbeitszeiten, großer Verantwortung und langem und intensivem vorangegangenem Studium.
Nimmt diese Ärztin nun all diese Mühen auf sich, nur um ihre Existenz zu sichern? Wenn das der einzige Grund für Erwerbsarbeit wäre, warum macht sie nicht etwas einfacheres, entspannteres mit geregelten Arbeitszeiten? Auch so ein Beruf wirft üblicherweise genug Geld ab, um nicht auf der Straße zu landen. Gleichermaßen kann man die Frage stellen, ob diese Ärztin mit der Einführung eines BGEs plötzlich untätig wird und lieber nichtstuend in eine kleinere Wohnung zieht, den Urlaub streicht und nur noch Selbstgekochtes essen möchte. Vermutlich nicht, sie hat sich ja an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt – ganz abgesehen davon, dass psychisch gesunde Menschen üblicherweise von sich aus tätig sein wollen, im Idealfall in sinnvollen Bereichen.
Nachdem also Ärzt:innen, Banker:innen und Spitzenpolitiker:innen ihre Jobs wohl eher nicht kündigen würden, um allein vom BGE zu leben, muss man sich die Frage stellen, was mit dem anderen Ende der Einkommenspyramide geschehen würde. Menschen mit niedrigen Einkommen würden in ihrem Lebensstandard - verglichen mit dem Status quo - keine großen Verluste hinnehmen müssen, wenn sie ihren Job kündigen und ausschließlich vom BGE leben.
Zunächst sollte hier einmal gesagt werden, dass die generelle Unterstellung, Menschen mit niedrigem Einkommen wären in ihrer Situation, weil sie faul sind, und würden dementsprechend sofort aufhören tätig zu sein, sobald niemand mehr hinter ihnen die metaphorische Peitsche schwingt, übler Klassismus ist und in einer aufgeklärten Gesellschaft genauso wenig geduldet werden sollte, wie Rassismus und Sexismus. Es gibt viele Gründe dafür, warum Menschen wenig Einkommen haben, aber Faulheit gehört mit Sicherheit nicht zu den gewichtigsten, vor allem wenn man bedenkt, dass Menschen in unteren Einkommensschichten meist wesentlich anstrengendere Tätigkeiten ausüben als die sogenannte Oberschicht.
Auch wenn man also nicht davon ausgeht, dass Menschen einfach ihre Jobs kündigen, weil sie von Natur aus faul sind, stellt sich trotzdem die Frage, was für einen Anreiz beispielsweise ein Paketzusteller dazu hat, seinen Job weiter ausüben, obwohl er auch ein BGE bezieht. Die Antwort auf diese Frage hängt nicht zuletzt von der konkreten Ausgestaltung des BGEs ab. Doch egal welches gängige Modell, sei es additiv (jeder bekommt das BGE zusätzlich zum Erwerbseinkommen) oder umwandelnd (Erwerbseinkommen werden um die Höhe des BGEs gekürzt, was Neuverhandlungen von Arbeitsverträgen notwendig macht), verwendet wird, es führt auf jeden Fall dazu, dass es Menschen, die jetzt für die bloße Existenzsicherung arbeiten, ermöglicht wirtschaftlich aufzusteigen. Ihr Erwerbseinkommen müsste nicht mehr ausschließlich zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse verwendet werden, auch sie könnten sich durch ihre Erwerbsarbeit etwas Luxus leisten. Wenn das kein Anreiz zum weiterarbeiten ist, was dann?
Das sind erstmal natürlich bloße Gedankenspiele und Behauptungen, also soll nun auch noch eine aktuelle Studie erwähnt werden. Erst im letzten Jahr (2024) wurde eine groß angelegte US-amerikanische Studie veröffentlicht, in der 1.000 Personen über einen Zeitraum von 3 Jahren monatlich 1.000 Dollar erhielten. Dabei kam es tatsächlich zu einem Arbeitszeitrückgang, ein Umstand der in vielen konservativen Medien als Beweis angeführt wurde, dass ein BGE nicht umsetzbar ist und zu einer wirtschaftlichen Katastrophe führen würde.
Die Sache ist nur die, dass der durchschnittliche Rückgang der wöchentlichen Arbeitszeit gerade einmal 1,3 Stunden, oder ca. 15 Minuten pro Arbeitstag betrug. [1] Das entspricht, verglichen mit der durchschnittlichen Arbeitszeit in den USA, einem Rückgang von etwa 3,8%. Dieser Wert ist vergleichbar mit dem Ergebnis einer Simulation der JKU Linz aus dem Jahr 2024, in der bei Einführung eines BGEs eine Verringerung der Arbeitsstunden in Österreich von etwas mehr als 2% prognostiziert wird. [2]
Eine großangelegte Metastudie zu dem Thema aus dem Jahr 2020 bestätigt das: Bei der Durchsicht von über 1200 Dokumenten und 50 empirischen Studien wurde keinerlei Hinweis darauf gefunden, dass es bei Einführung eines BGEs zu einem signifikanten Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden in einer Volkswirtschaft kommen könnte. Zugegeben, es gibt Indizien darauf, dass es zu einer Reduktion der Arbeitszeit bei folgenden Bevölkerungsgruppen kommen könnte: Kinder, Alte, Kranke, Menschen mit Behinderung, alleinerziehende Mütter und junge Menschen, die ihre Ausbildung priorisieren. Auf der anderen Seite zeigen die Studien allerdings auch, dass andere Bevölkerungsgruppen ihr Arbeitszeitangebot sogar erhöhen würden, was sich insgesamt ausgleicht. [3]
Insgesamt kann man also guten Gewissens sagen, dass bei Einführung eines BGEs keine komplette Katastrophe durch massive Kündigungswellen droht. Wenn es in einigen Branchen doch dazu kommen sollte, so sagt das wohl mehr über die dortigen Arbeitsbedingungen aus, als über das bedingungslose Grundeinkommen.
 
 
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[1] https://www.mein-grundeinkommen.de/magazin/grundeinkommen-studie-altman-openai
[2]https://fuereinander.jetzt/images/downloads/CONSUMPTION-FINANCED%20UBI%2020241002_v2.pdf 
[3] https://www.mdpi.com/2071-1050/12/22/945

 

Patrick Caic-Pröll

Patrick Caic-Pröll

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