Skip to main content

Das Vertrauen in den freien Markt

veröffentlicht - 04. Juni 2024
geschrieben von Manuel Blum

Die unsichtbare Hand des Marktes sorgt dafür, dass Unternehmen durch das eigene Gewinnstreben der gesamten Gesellschaft zu Diensten sind - soweit die derzeit vorherrschende Hypothese. Demnach ist jeder Eingriff in den freien Markt ein Sakrileg, da dieser jener unsichtbaren Hand ins Handwerk pfuscht.

Der wahrscheinliche Begründer dieser Metapher war der Moraltheologe Adam Smith. Vermutlich würde Adam Smith gegen eine Vielzahl von Menschen, die sich heute auf ihn berufen, vehementen Einspruch erheben und dem Verfasser stellt sich nach erneuter Lektüre die ernsthafte Frage, ob er mit heutigem Wissen sein Buch “Wealth of Nations” nochmals schreiben würde. 

Fluch oder Segen?

Die Idee, dass Egoismus über den Mechanismus des Marktes das Gemeinwohl fördert, ist an sich genial - sofern es funktionieren würde. Bei jeder Krise prallen die üblichen Fronten mit völlig verschiedenen Hypothesen zur Entstehung der jeweiligen Krise aufeinander. Die Jünger des freien Marktes erklären, dass diese Krise nur dadurch passieren konnte, weil in den freien Markt interveniert wurde, während Befürworter eines starken Staates den zügellosen Markt als Erklärung liefern.

Aber gibt es so etwas wie einen “Freien Markt” wirklich? Der freie Markt ist ebenso eine unerreichbare Idealform wie der allgemeine Weltfriede. Grundsätzlich schön, aber es müssten alle mitspielen.

Es dürfte kein Unternehmen in eine marktbeherrschende Stellung kommen (siehe österreichischer Lebensmittelhandel), d.h. es dürfte auch keine Patente oder andere Schutzmaßnahmen geben. Es dürfte keine Markteintrittsbarrieren geben, egal ob durch benötigtes Kapitel (meist werden Fabriken ererbt, oder von bereits großen Konzernen erbaut) oder durch Zugang zum Markt (die Erlangung eines Gewerbescheins ist ein erstaunlich individuelles Feld in Österreich).

Ein wirklich freier Markt existiert nicht. Es wird - und muss - immer Rahmenbedingungen geben, die einen freien Markt überhaupt erst möglich machen. Gäbe es z.B.: keine Eigentumsgesetze, wäre man ständig der Gefahr ausgesetzt, dass jemand, der stärker als man selbst ist, sich seines Eigentums bemächtigt. Wenn ein Vertrag nicht eingehalten wird, braucht es ein unabhängiges Gericht, das den Sachverhalt prüft und gegebenenfalls auf Einhaltung oder Schadensersatz besteht - und sich mit dem Gewaltmonopol im Hintergrund auch gegen den Willen eines Vertragspartners durchsetzen kann.

Somit geht es lediglich darum, welche Rahmenbedingungen und vor allem welche Ziele wir mit diesem Markt verfolgen wollen, denn davon müssen wir diese Rahmenbedingungen ableiten. Dies ist und bleibt eindeutig eine politische Entscheidung, obschon dieses Verständnis in den letzten Dekaden zunehmend einer quasi religiösen Haltung in der Ökonomie gewichen ist. Früher studierte man noch “politische Ökonomie” - heute wird die Volkswirtschaftslehre gepredigt, die, ohne jedoch darauf hinzuweisen, eine klare neoliberale Schlagseite aufweist. Dieser Trend scheint sich langsam an den Universitäten zu verändern, die handelnden Personen in Wirtschaft und Politik sind jedoch in dieser Petrischale aufgewachsen und folgen dieser Ideologie zum Teil nach wie vor blind - und halten dies am Ende sogar für eine neutrale Wissenschaft. Dadurch werden - zum Teil sogar falsifizierte - ökonomische Formeln wie Naturgesetze behandelt und verhindern eine menschenorientierte Politik. Der größte Teil unseres Lebens wird in erster Linie von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt und es ist an der Zeit, diese Rahmenbedingungen wieder bewusst und offen politisch zu diskutieren und zu bestimmen. 

Der positive Aspekt liegt klar auf der Hand. Die Wirtschaftsordnung ist kein Naturgesetz. Sie ist von Menschen gemacht und kann daher jederzeit verändert werden. 

Das Paradoxe an der Situation ist jedoch, dass eben jene Menschen, die den freien Markt am lautesten predigen, offenbar sehr wenig Vertrauen zu ihm haben. Ein klar geregelter Markt, mit Spielregeln die das Begegnen von Marktteilnehmern auf Augenhöhe fördert ist auch in einer Welt mit Grundeinkommen eine wünschenswerte Komponente, nicht jedoch wegen seiner vermeintlichen Effizienz, sondern da er ein großes Maß an persönlicher und unternehmerischer Freiheit fördert - und nur das sollte  das Ziel eines freien Marktes sein.

 

Manuel Blum

Manuel Blum

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.