Demokratie muss man üben

Grundeinkommen auch!
In einem interessanten Austausch zur demokratiepolitischen Situation im Rahmen der "Ouvertüre der Freiräume 2025 in Graz” habe ich mehrmals den Satz gehört: “Demokratie muss man üben.” Während dieser Satz bei manchen im ersten Moment Unwohlsein hervorrufen mag, da man eine derartige Aussage durchaus auch als unterstellte Unmündigkeit auffassen könnte, stimme ich dem völlig zu.
Freiheit und Verantwortung können nur Hand in Hand gehen und lassen sich nur durch das aktive “Tun” erlernen und vergrößern. Ein Unterrichtsfach Demokratie erscheint nur als leere Worthülse, wenn im Alltag der jeweiligen Schüler keine Gestaltungsmöglichkeiten und einforderbare Rechte gelebt werden. Gleiches gilt für unsere Unternehmen, die in der Regel seit dem 17. JH streng hierarchisch arbeiten und noch wenig Mitbestimmung und quasi keine Demokratie integriert haben.
Manche der Vorbehalte, die dem BGE entgegenschlagen, wurden bzw. werden auch heute gegen die Demokratie, oder für den Erhalt der Sklaverei in Stellung gebracht.
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Die Menschen werden mit ihrer Freiheit nur Unfug veranstalten
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Es ist viel zu teuer/nicht leistbar für einen Staat bzw. die Volkswirtschaft
Wie bereits in einem vorherigen Artikel erwähnt (Die Neidgesellschaft - Generation Grundeinkommen (GG) - das BGE für Österreich) behaupte ich, die grundsätzliche Entscheidung, ob pro oder contra BGE, ist in erster Linie im Menschenbild begründet. Dies schlägt sich auch hier nieder.
Doch auch ich selbst bin dieser Herausforderung nicht immer gewachsen und erlebe auch Dinge, wo mein Glaube an das Gute im Menschen einen ordentlichen Knacks bekommt. Aber immer bevor ich mit dem rhetorischen Faustkeil auf einzelne Menschen losgehe, versuche ich davor zumindest deren Position zu verstehen. Zuhauen kann man dann immer noch.
Sehr oft höre ich Dinge, die ich vielleicht nicht gut heiße, aber zumindest nachvollziehen kann. Und ich vermute, dass in manchen Fällen die Warner und Bedenkenträger auch beim BGE - ebenso wie bei der Demokratie - recht behalten werden.
Allerdings denke ich auch, dass Freiheit und Verantwortung Dinge sind, die es zu lernen und üben gilt. Vermutlich wird es wirklich Menschen geben, die aus Umständen stammen, die ihnen wenig Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit geboten haben und damit auch schlechte Entscheidungen treffen werden. Wie wir damit umgehen und wie wir diese Lernkurve unterstützen können, scheint mir der Schlüssel zum Überleben der Demokratie in unseren Breiten zu sein. Auch heute treffen Menschen schlechte Entscheidungen - und auch viele Menschen, die gute Entscheidungen treffen, werden durch die Umstände dennoch von einem erfolgreichen und erfüllten Leben ferngehalten.
Vielleicht müssen wir einfach akzeptieren, dass es das “perfekte System” nicht gibt und bisher jeder Versuch, dieses zu erfinden, verlässlich in der Dystopie endete.
Vielleicht müssen wir zusätzlich zum BGE noch Strukturen schaffen, um Menschen in die Mündigkeit zu begleiten. Auch wenn das Bildungssystem diesen Anspruch schafft, wird es diesem in seiner aktuellen Form keinesfalls gerecht.
Vielleicht müssen wir aber auch einfach den Mut haben zu akzeptieren, dass jeder Mensch durch seine Freiheit auch immer wieder Scheitern kann und wird - und das Ziel ist, immer besser zu scheitern. Ich nenne diesen Prozess “Fortschritt”.
