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Der Irrweg vom Grünen Kapitalismus

veröffentlicht - 20. Mai 2025
geschrieben von Andreas Lechner

Warum Pseudolösungen nicht aus der Krise führen – und was wir stattdessen brauchen.

„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Diesen Spruch lernt jedes Kind. Wie man komplexe Probleme mit symbolischen Maßnahmen kaschiert, lernt es aber spätestens in der Mittelschule.

Noch immer glauben viele Marktliberale, der Kapitalismus sei das beste Mittel zur Krisenbewältigung. Ihre Logik: Gesellschaftliche Probleme erfordern Ressourcen – und der Kapitalismus sei besonders effizient in deren Zuweisung, sei es durch Investitionen in Technologien oder Dienstleistungen. Doch diese Allokation folgt dem Profitmotiv: Wo hohe Gewinne winken, fließt Kapital. Fehlen diese Aussichten, braucht es öffentliche Gelder oder staatliche Regulierung.

Zwei der größten Krisen unserer Zeit zeigen, dass dieses System manchmal nicht nur an seine Grenzen stößt, sondern sogar die Lösung der Probleme erschwert.

Täglich grüßt die Klimakrise

Die Klimakrise ist allgegenwärtig. Doch anstatt ernsthafte Lösungen umzusetzen, floriert vor allem eines: Greenwashing – das Vorspiegeln umweltfreundlicher Praktiken, um die Konsumenten zu beruhigen und Märkte zu sichern.

Selbst im Bereich der erneuerbaren Energien werden Fortschritte gebremst. Grund: Unsere Gesellschaft ist tief durchzogen von fossilen Infrastrukturen, in die Billionen investiert wurden. Die Profitaussichten im fossilwirtschaftlichen Sektor sind weiterhin enorm – das Kapital folgt der stärkeren Rendite und dank Lobbyarbeit folgen auch öffentliche Förderungen: 7 Billionen in 2022.

Zwar gibt es Instrumente wie Förderungen für Erneuerbare oder den CO₂-Preis, doch deren Wirkung bleibt begrenzt. Um einen realen Wandel zu bewirken, müsste der CO₂-Preis 2030 laut Schätzungen zwischen 135 und 5.500 Dollar pro Tonne liegen – nur der Mittelwert würde die heutige Wirtschaft bereits fundamental erschüttern.

Den Status quo aufrechtzuerhalten, bedeutet aber nicht Stillstand, sondern eine Verschärfung der Probleme – mit langfristig katastrophalen Folgen.

Alles hat ein Ende, auch die Wurst

Auch wenn die Klimakrise lösbar wäre, bleibt ein weiteres Problem: Die Endlichkeit natürlicher Ressourcen. Schon heute zeigen Studien, dass sukzessive Rohstoffverknappung die metaphorische Wand sein wird, auf die die Kapitalismus-Dampflok unweigerlich zufährt. Einstein hat schon gesagt: „Die Definition von Wahnsinn ist das Streben nach unbegrenztem Wachstum in einer begrenzten Welt.“

Falls nun jemand meint, das Zitat ginge anders, nein, auch das hat Einstein vermutlich nie gesagt. Aber wen kümmert heutzutage schon die Wahrheit, denn auch in der sogenannten Postfaktum-Gesellschaft, in der Fakten immer öfter durch Narrative ersetzt werden, folgt der Kapitalismus seinem eigenen Dogma. 

Monopoly nur schlimmer

Kapital hat die lästige Eigenschaft, sich zu konzentrieren, wodurch immer mehr in immer weniger Händen zusammenläuft. Das hat leider negative Eigenschaften auf die Psyche der “Gewinner” dieses Systems, wie ein manipuliertes Monopoly-Spiel von Piff et al. (2012) zeigte. Dort bekamen einige Teilnehmer durch Zufall massive Vorteile (mehr Startgeld, zwei Würfel, mehr Geld beim Überqueren von "Los" usw.). Obwohl ihnen bewusst war, dass sie zufällig bevorzugt wurden, entwickelten sie dennoch ein stärkeres Anspruchsdenken, redeten überlegener, nahmen sich mehr Platz, aßen mehr von bereitgestellten Snacks und beschrieben ihren spielerischen Erfolg völlig unzutreffend als eigene Leistung. 

Andere psychologische Studien zeigen ebenfalls, dass Menschen dazu neigen, fremde Leistung als eigene zu interpretieren, wenn sie davon profitieren. Demnach haben auch leistungslose Erben alles was sie haben verdient. Kein Wunder also, dass die Eliten ihr Handeln mit dem „Fortschritt“ rechtfertigen, den angeblich nur sie effektiv gestalten können, weil sie es sich durch Leistung „verdient“ hätten. 

Wer glaubt, das sei übertrieben, sollte sich einmal mit Curtis Yarvin beschäftigen – einem Vordenker des „neoreaktionären“ Denkens, das Demokratie durch technokratische Elitenherrschaft ersetzen will – Bekannte Anhänger sind u.a. Elon Musk und Peter Thiel.

Der Befreiungsschlag

Wir brauchen eine neue gesellschaftliche Ordnung. Eine, in der Menschen frei von Existenzangst sind – denn nur dann können sie informierte Entscheidungen treffen, sich engagieren und Vertrauen in Demokratie und Gemeinschaft entwickeln.

Ein zentraler Schritt dahin könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sein. Nicht jedes Modell ist zielführend – doch es gibt durchdachte Vorschläge mit wissenschaftlicher Fundierung. Einen davon stelle ich in diesem Video vor.

Es ist Zeit, uns von Pseudolösungen zu verabschieden und endlich mutige, strukturelle Veränderungen anzugehen.

Andreas Lechner

Andreas Lechner

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