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Die totale Ökonomisierung!

veröffentlicht - 29. Oktober 2024
geschrieben von Manuel Blum

Warum es keine gute Idee ist, alles zu bepreisen. Hört man Ökonomen wie Christoph Badelt zu, entpuppen sich überall Sachzwänge. Die Politik scheint Beifahrer einer Ökonomie,

die eigentlich niemand so wirklich versteht, aber mit der jeweiligen ideologischen Brille treffsicher zu beurteilen ist. Sätze wie: „Die Konjunktur wird nur anspringen, wenn der Staat spart und die Unternehmer wieder Vertrauen in den Staat haben“, werden selbstsicher gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen geäußert. Mir war – selbst Unternehmer - nicht bewusst, dass Vertrauen in den Staatshaushalt wichtiger für mein Geschäft ist, als eine gute Auftragslage.

Von 1997 bis 2016

stieg  das Geldvermögen in Österreich um 187%, die Staatsausgaben jedoch nur um 75%.  (Factsheet Geldvermögen.jpg). Beim Lesen dieser Zahlen drängt sich folgende Frage  auf: Warum können wir uns keine Schulen, Kindergärten oder funktionierendes Gesundheitssystem mehr leisten? Ausufernde Kosten sollten es eigentlich nicht sein, denn Vermögen ist genügend vorhanden.

Nun könnte der Autor die – inhaltlich richtige – Abzweigung zur Besteuerung von Vermögen nehmen. Dies soll an dieser Stelle jedoch ausgespart werden, da das Thema andernorts in diesem Blog gut dargelegt wurde.

Möglicherweise sind es aber auch nicht nur die erdrückenden Interessen einiger Weniger. Vielleicht liegt das Problem viel tiefer. Unsere Welt wurde in den letzten hundert Jahren zunehmend ökonomisiert. Alles wurde in Zahlen bzw. Budgets gegossen. Wenn auf beiden Seiten einer Gleichung bewertbare Güter stehen, ist dies grundsätzlich einfach.

Doch wie bewerte ich ökonomisch eine Freundschaft? Wie einen schönen Abend mit Freunden? Was ist das Leben meiner Tochter wert? Oftmals treffe ich diese Abwägung sogar bewusst: „Verkaufe ich einen Tagessatz und sehe dafür meine Familie einen Tag nicht?“

Schwieriger wird es bei diffusen Gleichungen: „Was, wenn ich mit einer Arbeitsstunde so viel Geld erwirtschaften kann, um mir für zehn Stunden eine Putzkraft in meine Wohnung zu holen?“
Ein sogenannter No-Brainer würde man meinen. Aber was macht es mit mir, wenn ich mir meinen Dreck langfristig von ökonomisch ärmeren Menschen wegräumen lasse? Was wenn mein Leben nur mehr in Excel Feldern abläuft – erkenne ich dann die Lebensrealitäten hinter diesen Feldern noch?

Oder ökologisch:

Wie bewerten wir saubere Luft? Erst wenn sie knapp wird, steigt der Preis. Dann ist es aber bereits zu spät. Unser Zugang derzeit ist nun auch diese „Externalitäten“ einzupreisen. Doch ist dies nicht ein Weg, der weiter in die falsche Richtung führt? Haben wir uns der“ Totalen Ökonomisierung“ verschworen und dadurch den Blick aufs Wesentliche verloren? Brechts Mutter Courage mag einem hier einfallen, die auf tragische Weise so lange mit den feindlichen Soldaten um die Höhe des Lösegelds ihres Sohnes feilscht, bis dieser tot ist. In unserem Fall mag der Sohn nicht Ziegenkäs sondern Weltklima heißen. Vielleicht denkt man dabei auch an Gastfreundschaft (AirBnB) und Hilfsbereitschaft (Uber) die ebenfalls gnadenlos und schleichend ökonomisiert werden.

In unserer Gesellschaft hat schleichend ein konstantes - pseudoobjektiviertes -  Bewertungsschema Einzug gehalten, das wir – sofern wir dies innerhalb unserer Familien einführen würden – nur durch soziopathische Verhaltensweisen erkannt werden könnte. Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Paradigma zu hinterfragen und mit ihm zu brechen. Die Tatsache, dass neben der Bewertung des Gebrauchtwarenhändlers mit fast identen Metriken auch die ökonomisierte Partnersuche (Tinder) arbeitet, erscheint dem Verfasser als fast schon diabolische Entwertung des Individuums, indem es zum Produkt verkommt. 

Ein Grundeinkommen scheint derzeit ebenso außerhalb dieses Bewertungsschemas zu stehen. So wie seinerzeit eine Kranken- und Unfallversicherung, eine Pension und öffentlich finanzierte Bildung. Allesamt gute soziale Ideen, an denen wir nicht nur festhalten, sondern diese auch ausbauen sollten. Gerade die Bedingungslosigkeit ermöglicht es Menschen erst, aus diesem destruktiven Bewertungsschema auszusteigen und sich den schwierigen Fragen zu stellen:

“Was ist mir wichtig?” Wie will ich leben? Was ist mein Beitrag zur Gesellschaft?”

 

Manuel Blum

Manuel Blum

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