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geschrieben von Victoria Caic

Wie kann ein Bedingungsloses Grundeinkommen Kinderarmut beenden, ohne zu weiteren Problemen zu führen?  Eine Mischung aus Grundeinkommen und kindbezogener Infrastruktur könnte die Lösung sein

Es scheint eine weit verbreitete Meinung zu sein, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen dazu führen würde, dass ein Großteil der Bevölkerung sofort ihre Arbeit niederlegen und sich stattdessen in die Hängematte legen würde. Zwar geben in Befragungen die meisten Menschen an, selbst nicht zu dieser Gruppe der Faulenzer:innen zu gehören, bei allen “anderen” sind sie aber überzeugt, dass ein Einkommen, das nicht an Erwerbsarbeit geknüpft wird, Schmarotzertum und Müßiggang zu neuen Höhen verhilft [1].

Nun gibt es natürlich eine Gruppe von Menschen, die von dieser Art von Vorwürfen eher selten betroffen sind, die Kinder. Vermutlich würden die wenigsten Menschen Kindern vorwerfen, der Gesellschaft auf der Tasche zu liegen, wenn sie mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, beispielsweise einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Bei Kindern scheint die Bedürftigkeit, an die unsere heutigen Sozialleistungen geknüpft sind, im Bewusstsein der Menschen ausreichend geklärt zu sein. 

Sicher würde nahezu jeder Mensch, egal aus welchem politischen Lager, auf die Frage, ob es in Ordnung ist, dass in Österreich immer noch 350.000 Kinder arm oder armutsgefährdet sind [2], mit einem klaren Nein antworten. Was hält uns also von der Einführung eines Grundeinkommens, zumindest für Kinder, ab?

Das Gefahrenbild: Die kinderreichen Sozialschmarotzer

Das Problem sind natürlich nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen. Bei Berechnungen zum Referenzbudget, also einem Ausgabenraster, das aufzeigt, welche Summe monatlich nötig ist, um einen bescheidenen, aber dennoch angemessenen Lebensstil zu ermöglichen, wird von Kosten pro Kind von etwa 900 € im Monat ausgegangen [3]. Bei der Vorstellung, dass eine Familie mit drei Kindern, die ein reguläres Kinder-BGE von eben diesen 900 € pro Kind ausgezahlt bekommt, und damit ein Zusatzeinkommen von knappen 3000€ nur durch das Kinder-Haben “generiert”, kräuseln sich so manch BGE-Skeptiker:in die Nasenhaare. 

Die gesehenen Gefahren sind vielfältig: Eltern in kinderreichen Familien könnten endgültig aus der Erwerbsarbeitswelt austreten und sich und ihre Kinder nur noch von der Gesellschaft durchfüttern lassen. Die Migrant:innen mit ihren ohnehin schon vielen Kindern würden in Strömen ins Land kommen und hier Parallelgesellschaften bilden. Und wer verhindert eigentlich, dass die Eltern das BGE ihrer Kinder nicht nur für Alkohol und Zigaretten ausgeben und die Kinder weiterhin in Armut leben? So clichéehaft diese Ausdrücke auch klingen mögen, scheinen sie doch in den Köpfen vieler Menschen so fest verankert zu sein, dass sie sich mit dem Gedanken eines hohen Kinder-BGEs nicht wirklich anfreunden können. Und manche dieser Sorgen haben auch zumindest einen wahren Kern.

Obwohl zuerst einmal angemerkt sein soll, dass es durchaus als Arbeit zu bezeichnen ist, wenn sich Eltern daheim “nur” um ihre Kinder kümmern, sollte es in Zeiten des Klimawandels, der Ressourcenknappheit und der Überbevölkerung kein lohnendes Modell sein, sich durch viele Kinder ein angenehmes Leben zu finanzieren. Bei einem BGE von 900 € pro Kind käme eine Familie allerdings tatsächlich schnell auf sehr hohe Beträge, die heutzutage auch in Gutverdiener:innen-Haushalten nicht zustande kommen, und die Aufgabe eines Grundeinkommens ist nicht, Luxus auf Kosten der Allgemeinheit zu ermöglichen. 

Der zweite Punkt, der nicht einfach von der Hand zu weisen ist, ist die Tatsache, dass die Eltern das Geld für ihre Kinder verwalten müssten und damit tatsächlich nicht automatisch sichergestellt ist, dass es bestmöglich im Sinne der Kinder eingesetzt wird. Zwar ist in der Idee eines BGEs verankert, dass man den Empfänger:innen selbst die Entscheidungsfreiheit lässt, welche Bedürfnisse sie mit diesem Geld erfüllen, allerdings geht es dabei in der Regel auch um volljährige Erwachsene. Wenn ein erwachsener Mensch beschließt, am ersten Tag des Monats das ganze BGE für Zigaretten und Alkohol auszugeben und dann in der Folge seine Miete nicht mehr bezahlen kann, benötigt diese Person zwar sicher Hilfe, im Endeffekt ist sie es jedoch selbst, die ihre Entscheidungen “ausbaden” muss. Bei Kindern sieht das etwas anders aus, sie müssen die Konsequenzen tragen für Entscheidungen, die andere Menschen, meistens ihre Eltern, für sie getroffen haben. Wie kann man dieses Problem also lösen?

Eine Mischung aus Bedingungslosem Grundeinkommen und Bedingungslosen Services

Viele Ausgaben, die in Berechnungen zum Referenzbudget aufgeführt sind, müssen nicht direkt mit dem Geld der Eltern bezahlt werden, sondern können- und werden zum Teil heute auch schon- direkt von öffentlicher Hand zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählen öffentliche Verkehrsmittel, Nachmittagsbetreuung, Mittagessen in der Schule, Freizeitangebote wie Sportvereine oder Musikschulen, Kulturangebote wie Museen, Theater oder Kinos und Gesundheitsversorgung. Würde man diese Punkte für Kinder komplett kostenfrei gestalten, so wäre zu großen Teilen sichergestellt, dass alle Kinder sie nutzen können, unabhängig davon, ob die Eltern diese Ausgaben für sinnvoll halten.

Der Betrag, der dann noch an die Eltern ausbezahlt werden würde, um die restlichen Ausgaben zu decken, könnte dadurch auch entscheidend reduziert werden. So hätte es keinen finanziellen Vorteil mehr, Kinder zu bekommen, die Kinder, die es schon gibt, wären aber gut abgesichert und es wäre auch kein finanzieller Ruin mehr, sich um die eigenen Kinder zu kümmern.

Dieser Gedanke scheint sogar tatsächlich schon in der großen Politik angekommen zu sein. So fordert die österreichische Sozialdemokratie gemeinsam mit der Volkshilfe eine Kindergrundsicherung, die genau die oben beschriebenen Punkte enthält: Bereitstellung kostenfreier, kindbezogener Infrastruktur, ein Universalbeitrag von knappen 400 € pro Kind, unabhängig vom Einkommen der Eltern und eine zusätzliche einkommensabhängige Leistung [4]. 

Eine solche Grundsicherung kann sicher als erster Schritt in Richtung eines universellen Bedingungslosen Grundeinkommens für Menschen jeden Alters dienen. Es bleibt also zu hoffen, dass die Sozialdemokratie nach dieser durchaus unterstützenswerten Forderung erkennt, dass diese Idee perfekt zu ihren ideologischen Grundsätzen passt und beginnt, dafür in großem Maßstab politisch einzutreten.

 

Victoria Caic

Victoria Caic

stellvertretende Obfrau
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