Lernen für uns selbst, und nicht für einen guten Job!

Wie das bedingungslose Grundeinkommen das System Schule für immer verändern könnte
Es ist unzweifelhaft, dass die Einführung eines existenzsichernden, bedingungslosen Grundeinkommens die Gesellschaft stark verändern würde. Vor allem die möglichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden hier sehr oft beschrieben, sowohl von den Befürworter:innen, als auch von den Gegner:innen eines BGEs.
Ein ebenso grundlegender, in dieser Debatte aber selten vorkommender Teil unseres Lebens, nämlich unsere Schulzeit, ist aber auch eine nähere Betrachtung wert. Auch wenn unser Schulsystem – da sind sich so ziemlich alle Expert:innen einig – grundlegend reformiert werden müsste, hätte allein die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens vermutlich schon große Auswirkungen auf unser bestehendes System.
Bildung statt (Berufs-)ausbildung
Mit der Sicherheit, dass ein grundlegender Lebensstandard nach der Schulzeit auch ohne „guten“ Job vorhanden sein wird, würde sich langfristig die Zielsetzung des Schulsystems verändern. Bereits jetzt ist die Kernaufgabe der österreichischen Schulen im §2 des Schulorganisationsgesetzes folgendermaßen definiert:
„Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen. (…) Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.“
Die Vorbereitung auf das Erwerbsleben ist also per Gesetz durchaus ein Teil, aber mit Sicherheit nicht der Großteil dessen, was Schule zu leisten hat. In den letzten Jahrzehnten ist der Fokus der Bildungspolitik allerdings immer stärker in Richtung der Berufsausbildung gerückt, und das zulasten der Allgemeinbildung. Während Unterrichtsfächer wie Musik, Geschichte und Sport als „Nebenfächer“ gehandelt werden, die als eher unwichtig gelten, werden Fächer wie Mathematik, Englisch und Deutsch als wesentlich wichtiger angesehen, sicher nicht zuletzt, weil diese für künftige Arbeitgeber:innen interessanter zu sein scheinen. Diese Diskrepanz sieht man auch in der Notengebung in diesen Gegenständen. Während musikalisch völlig unbegabte Schüler:innen mit etwas Aufwand in Musik dennoch meist sehr gute Noten haben, haben es Schüler:innen, die Probleme im Umgang mit Mathematik haben, ungleich schwerer, überhaupt das Schuljahr zu schaffen.
Setzt nun aber mit Einführung eines BGEs das Verständnis ein, dass wir in der Schule für uns selbst lernen, und nicht, damit wir später einmal einen guten (d.h. gut bezahlten) Job bekommen, so könnte das auch die Wertigkeit so genannter „Nebenfächer“ steigern – gute Leistungen in Geschichte könnten gleich wertgeschätzt werden, wie solche in Mathematik, da es nicht mehr auf die spätere „Verwertbarkeit“ des Gelernten ankommen würde. Während diese Veränderungen auch ohne grundlegende Bildungsreformen innerhalb der jetzigen Rahmenbedingungen graduell passieren würden, so würde dies automatisch auch Reformen nach sich ziehen. Verändert sich die Zielsetzung des Systems Schule von Ausbildung für den Beruf wieder stärker in Richtung einer humanistischen Bildung, so müsste man beispielsweise automatisch auch das Konzept der Zentralmatura mit großteils strikt vorgegebenen Fächerkombinationen dringend überdenken.
Stärken fördern statt Schwächen bekämpfen
Doch auch bei der Auswahl der Schule würde sich einiges ändern. Ist der Grundgedanke für Eltern nicht, dass die eigenen Kinder unbedingt – zur Not unter massivem Nachhilfeeinsatz – die Matura machen müssen, um später ein gutes Leben führen zu können, würde dies automatisch die Mittelschule und auch die Lehre aufwerten.
Man tut den eigenen Kindern auch heute schon nichts Gutes, wenn man sie dazu bringt, in permanenter Überforderung in der Schule zu sitzen, obwohl die eigenen Talente vielleicht ganz wo anders liegen. Die Kindheit und Jugend sollte neben einer lehrreichen auch immer eine schöne Zeit sein, und sieht man sich heute Schulklassen, vor allem in höheren Schulen an, so stellt man fest, dass dies für viele Jugendliche wohl eher nicht der Fall ist.
Beispielsweise sind an berufsbildenden höheren Schulen mehr als 35 Wochenstunden Unterricht die Regel, was in Ordnung ist, wenn man zuhause nicht mehr allzu viel lernen muss, Hausübungen schnell erledigen kann und sich generell auch für die Ausbildung, die man hier erhält, interessiert. In der Praxis sitzen aber gerade in diesen Schulen oftmals Schüler:innen, die sich für die Lerninhalte kaum interessieren, zusätzlich auch noch regelmäßig Nachhilfe benötigen und die Wochenenden durchlernen, um überhaupt das Schuljahr zu schaffen – all das nur, damit man am Ende eine Matura hat und einen „guten“ Job bekommt.
Mit der Sicherheit, die das BGE bietet, könnten sich diese jungen Menschen viel eher auf ihre Stärken konzentrieren und später das machen, für das sie wirklich brennen, und das sie auch wirklich gut können – und das wäre wohl ohne Frage ein Gewinn für die ganze Gesellschaft.
