Ochlokratie

oder warum bereits Aristoteles Herbert Kickl kannte..
Die politische Medienberichterstattung kann derzeit nur selten mit positiven Beiträgen aufwarten.
Oftmals wird beim Wahlsieg von Demagogen - egal ob sie nun links oder rechts der Mitte agieren - darauf hingewiesen, dass diese doch demokratisch gewählt worden seien und somit der Wählerwille in einer Demokratie zu respektieren wäre.
Diese Argumentation erscheint manchmal als Vorwand, um die demokratische Brandmauer einzureißen, aber vielerorts auch mit echter Überzeugung geäußert zu werden und verdient daher eine genauere Betrachtung.
In der "Politik", einem Buch des Aristoteles, wird eine sehr interessante Unterscheidung, die man in die Form einer Matrix bringen kann, getroffen:
Aristoteles unterscheidet einerseits, bei wem die Macht liegt - einer Einzelperson, einer Gruppe oder dem Volk als Gesamtes.
Danach unterteilt er in eine negative und eine positive Ausprägung dieser Herrschaftsform.
Ein weiser König wie zB. König Salomon, der sich um sein Volk sorgt und sich als Diener seiner Untertanen sieht, ist etwas völlig anderes als ein Tyrann, der das Volk unterdrückt.
Eine Aristokratie, die zwar ohne Mitsprache, aber trotzdem im Sinne des gesamten Volkes regiert, ist etwas völlig anderes als eine kleine Gruppe verschworener Oligarchen, die Land und Leute ausplündern.
Eine Demokratie hat jedoch ebenso ein - weithin unbekanntes - Gegenstück: Die Ochlokratie, oft mit Herrschaft des Pöbels übersetzt. Etwas weniger despektierlich wäre die Übersetzung der Polis, denn der Verfasser ist mitnichten der Meinung, dass alle Wähler gewisser Parteien Pöbel sind, sondern großteils legitime Probleme sehen, die von der Politik nicht adressiert werden.
Was unterscheidet nun die jeweiligen Herrschaftsformen voneinander? Wie wird eine Demokratie zur Ochlokratie? Es ist am Ende die Frage, welche Politik verfolgt wird. Wird auf Basis von Eigennutz entschieden - egal ob dies von einem, wenigen oder vielen geschieht - oder wird im Sinne des Gemeinnutzen entschieden.
Herrschaft |
Gemeinnutzen |
Eigennutz |
Einer |
Monarchie |
Tyrannis |
Wenige |
Aristokratie |
Oligarchie |
Viele |
Demokratie |
Ochlokratie |
Es handelt sich somit nach Aristoteles streng genommen um keine Demokratie mehr, wenn Regeln und Gesetze nach einem Gesichtspunkt des Eigennutzen erlassen werden. Und diese Herrschaft des Pöbels ist oft daran erkennbar, dass sich politische Würdenträger als “Stimme des Volkes” oder der “Normaldenkenden” bezeichnen und die Menschen spalten, anstatt zu vereinen.
Demokratien sterben viel öfter an der Wahlurne, als durch gewaltsame Putschversuche. Sie werden von innen ausgehöhlt und zu einem dekorativen Überbau für Selbstbereicherung und Niedertracht.
Um dieser Entwicklung zu entgehen, braucht es einen neuen Gesellschaftsvertrag, der den Menschen eine grundlegende Sicherheit gibt, dazuzugehören und den drängendsten Existenzängsten - auf denen diese Demagogen hervorragend durch Spaltung zu spielen wissen - zu begegnen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre in der Lage, diese Ängste direkt zu bekämpfen und eine Gesellschaft, die auf dem besten Weg in die Ochlokratie ist, langsam wieder zurückzudrehen. Brecht schrieb einst “Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral” - dies scheint sich zu bestätigen, denn breite Solidarität kann sich nur entwickeln, wenn wir aufhören können, Angst vor dem Morgen zu haben. Ein BGE könnte der erste Schritt in diese Richtung sein.
