Über Sinn und Unsinn der Finanzierungsfrage

Spricht man über das Bedingungslose Grundeinkommen, sei es privat oder auf Veranstaltungen, so kommt, wie das Amen im Gebet, immer dieselbe Frage auf: „Wie soll man das denn finanzieren?“. Warum es am politischen Willen und nicht am Geld scheitert.
Um genug Geld für ein BGE bereit zu stellen, gibt es unterschiedlichste Finanzierungsmöglichkeiten, manche besser, manche weniger gut ausgearbeitet, aber genau um diese konkreten Modelle soll es in diesem Artikel nicht gehen. Vielmehr soll hier ganz grundsätzlich die Sinnhaftigkeit der Frage nach der Finanzierbarkeit hinterfragt werden.
Der weltbekannte Ökonom John Maynard Keynes schrieb 1942 „Where we are using up resources, do not let us submit to the vile doctrine of the nineteenth century that every enterprise must justify itself in pounds, shillings and pence of cash income (…) Anything we can actually do, we can afford [1].“
Was immer wir leisten können, können wir uns auch leisten.
Was bedeutet das nun und in welchem Zusammenhang steht es mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen? Dieses Zitat entstand vor dem Hintergrund der Finanzierung des Wiederaufbaus Großbritanniens nach dem 2. Weltkrieg, dessen Ende damals bereits absehbar war. Keynes meinte, dass die Frage nicht lauten sollte, ob man genug Geld für das Bauen von Häusern, Theatern und Bibliotheken habe, sondern ob grundsätzlich genügend Ressourcen, wie Energie, Arbeitskräfte oder Rohstoffe hierfür vorhanden seien. Sollte dies der Fall sein, so sei die Frage nicht mehr, ob man diese Vorhaben finanzieren könne, sondern, ob man dies wolle.
Um diesen Gedanken auf ein BGE umzumünzen, muss man sich zunächst einmal darüber klar werden, was dieses überhaupt bewerkstelligen soll. Ganz grundlegend (und modellunabhängig) soll es jedem Menschen in Österreich ein menschenwürdiges Leben durch regelmäßige – bedingungslose – Geldleistungen garantieren. Anstatt also sofort im Detail zu fragen, welche Steuerreformen nötig wären, um ein BGE zu finanzieren, sollte man sich zuerst die Frage stellen, ob es genug Güter, Immobilien, etc. in Österreich gibt, um jedem Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.
Dieser Frage kann man auf verschiedene Arten nachgehen. Man könnte sich beispielsweise die Anzahl der wohnungslosen Personen in Österreich ansehen. 2021 waren in Österreich etwa 20.000 Personen obdach- oder wohnungslos. [2] Dem gegenüber standen 2024 etwa 230.000 leerstehende Wohnungen oder Häuser. [3] Es stellt sich also nicht die Frage, ob es finanzierbar wäre, allen Menschen in Österreich (in welcher Form auch immer) ein Obdach zur Verfügung zu stellen, es handelt sich um eine politische und gesellschaftliche Entscheidung, dies eben nicht zu tun.
Ein anderes Beispiel wären Nahrungsmittel. In Österreich leiden eine halbe Million Menschen an Mangelernährung oder Hunger[4], weil sie sich die Nahrungsmittel nicht selbst leisten können. Abhilfe verschaffen teilweise Suppenküchen oder Sozialmärkte, die per Spenden finanziert werden und offensichtlich vorhandene Nahrungsmittel verteilen. Außerdem wurden in Unternehmen allein im letzten Quartal des Jahres 2023 gesamt 16.200 Tonnen Lebensmittel weggeworfen[5]. Insgesamt kann man auch hier feststellen, dass es genügend Nahrungsmittel für alle gibt. Die Tatsache, dass manche Menschen nur erschwert Zugang zu diesen Ressourcen haben, ist also ebenfalls eine politische Entscheidung.
Es gäbe noch eine große Menge ähnlicher Beispiele, die zeigen, dass die Ressourcen für ein würdevolles Leben für Alle vorhanden wären, wenn man sie zur Verfügung stellen möchte. Will man sich der Thematik aber doch lieber mittels Geldbeträgen nähern, so kann man sich die nationale Einkommensarmutslücke ansehen. Diese beschreibt, wie viel Geld nötig wäre, um alle armutsgefährdeten Personen in Österreich über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben. In der EU-SILC Erhebung 2021 (basierend auf den Einkommen des Jahres 2020) betrug diese in Österreich 4,6 Milliarden Euro, das entsprach gerade einmal 1,21% des BIP[6]. Hier von einer grundsätzlichen Unfinanzierbarkeit zu sprechen erscheint höchst fragwürdig.
Wir müssen nur wollen
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Ressourcen, um allen Menschen in Österreich ein gutes Leben zu garantieren, mit Sicherheit schon jetzt vorhanden sind. Selbstverständlich müsste man, um ein BGE einzuführen, große Steuerreformen durchführen und wie in jeder politischen Entscheidung würde es dabei Gewinner:innen und Verlierer:innen geben. Ob ein BGE aber prinzipiell eingeführt werden kann, ist keine Frage der grundsätzlichen Finanzierbarkeit, sondern lediglich eine des politischen Willens.
[1] https://medium.com/moneymirage/21-we-can-afford-what-we-can-actually-do-fe54eafca0aa
[2] https://www.neunerhaus.at/blog/wohnungslosigkeit-in-zahlen/
[3] https://www.diepresse.com/18326039/230000-wohnungen-und-haeuser-in-oesterreich-stehen-leer
[4] https://oe1.orf.at/artikel/354749/Welternaehrungstag-Hunger-auch-in-Oesterreich
[6] „Kennzahlen zu Lebensbedingungen 2022: Indikatorendefinitionen. Indikatoren für soziale Inklusion in Österreich“ - STATISTIK AUSTRIA, November 2023
