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Vom Bittsteller zum Anbieter

veröffentlicht - 07. April 2025
geschrieben von Victoria Caic

Der heutige Sozialstaat sorgt in vielen Fällen für ein Sicherheitsnetz in Notlagen - der Preis dafür ist aber eine pauschale Vorverurteilung und die Degradierung zum Bettler um die eingezahlten Versicherungsbeiträge. Ein Grundeinkommen könnte das ändern!

Wer in Österreich einer geregelten Arbeit nachgeht, hat im weltweiten Vergleich einen großen Vorteil: Bei Krankheit, Unfällen oder Erwerbsarbeitslosigkeit springt die Sozialversicherung ein und sorgt in der Regel dafür, dass man ein Einkommen zur Verfügung gestellt bekommt, dass einem hilft, die Zeit bis zum nächsten Erwerbseinkommen zu überbrücken. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass die Menschen weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und auch weiterhin die Wirtschaft stützen. In den USA beispielsweise existieren keine Sicherheitsnetze in dieser Form, sodass ein Verlust des Arbeitsplatzes dazu führen kann, dass Menschen zu Bettler:innen werden. Interessanterweise ist ein solches System tatsächlich teurer als unser Sozialsystem, das sich doch häufig dem Vorwurf stellen muss, unnötig teuer zu sein [1]. Daher wird die Frage nach der Notwendigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens vor allem in den USA auch viel häufiger gestellt als hier zu Lade. Wenn man bedürftig ist, wird bei uns ja eh schon niemand fallengelassen, oder? Zum Einen gibt es ausreichend Beispiele, in denen dieses Sicherheitsnetz gewaltige Lücken aufweist, zum Anderen fordert dieses System selbst bei an sich reibungslosem Ablauf ein nicht zu kleines Opfer: Die Würde in aufgrund des Menschenbilds, das einem/einer Empfänger:in von Transferleistungen übergestülpt wird. 

Sind “Leistungsempfänger” schlechtere Menschen?

Während in der Justiz im Allgemeinen die Unschuldsvermutung gilt und erst nachgewiesen werden muss, dass jemand eine Strafe tatsächlich verdient hat, wird im Umgang mit z.B. Erwerbslosen von vornherein vom Schlimmsten ausgegangen. Zur Illustration hier ein Erfahrungsbericht aus der täglichen Praxis:

Vor zwei Monaten verließ ich meinen alten Job und suchte das AMS auf, um mich “arbeitssuchend” zu melden. Gleich beim Anmeldungsgespräch gab ich der zuständigen Beamtin bekannt, dass ich noch zwei Wochen Urlaub ausständig hatte, der mir noch ausgezahlt werden würde und fragte nach, ob ich diesbezüglich noch schriftliche Angaben oder Ähnliches machen müsste. Sie beruhigte mich daraufhin und meinte, das würde alles automatisch geregelt, ich müsse nur auf dem Antragsformular ankreuzen, dass ich noch Urlaubsersatzleistungen beziehen würde, was ich dann auch tat. Eine Woche später erhielt ich meine erste Zahlung vom Arbeitsamt, worüber ich sehr erstaunt war, da ich mich ja noch innerhalb des ausgezahlten Urlaubs befand. Schon am übernächsten Tag sollte sich die Verwunderung darüber aufklären: Anscheinend war die ausgezahlte Urlaubsersatzleistung nicht korrekt eingemeldet worden, wodurch die Berechnung meiner Leistung fehlerhaft war und ich hatte -wie schon vermutet- zu viel Geld ausbezahlt bekommen. So etwas kommt vor! Ich verzeihe gerne Fehler und wäre natürlich auch sofort bereit gewesen, das überschüssige Geld zurück zu bezahlen, wenn ich eine entsprechende höfliche Aufforderung bekommen hätte. Stattdessen bekam ich aber die Androhung einer Strafanzeige wegen zu Unrecht bezogener Leistungen zugestellt, die ich nur abwenden könne, wenn ich “tätige Reue” zeigen würde, mir diese Leistung erschlichen zu haben. Etwas perplex kontaktierte ich meine Betreuerin, da ich nicht wirklich einsah, für etwas Reue zu zeigen, das ich weder versucht hatte, noch auf das ich irgendwie Einfluss gehabt hätte. Was hätte ich anders machen können, um jetzt nicht bereuen zu müssen? 

Um das Grundeinkommen muss man nicht betteln

Die Antwort, die ich darauf bekam, verdeutlicht die Sichtweise auf sogenannte “Leistungsempfänger”: Ich solle mir keine Sorgen machen, ich hätte eh nichts anders machen können und das sei auch nur das Standardschreiben, das alle bekommen. Beruhigt hat mich das eher nicht. In einem System, in dem von Vornherein davon ausgegangen wird, dass die Empfänger von Leistungen, für die sie immerhin selbst Versicherungsbeiträge gezahlt haben, sich diese vermutlich unrechtmäßig erschlichen haben, selbst wenn es sich offensichtlich um einen Fehler in der Verwaltung handelt, wird unser heutiger Sozialstaat nie eine gleichwertige Alternative zu einem bedingungslosen Grundeinkommen sein. Ein Grundeinkommen kann man sich nicht ergaunern, weil man sowieso Anspruch darauf hat. Anstatt beim zuständigen Amt “betteln” zu gehen, könnte man seine Energie dafür verwenden, eine sinnvolle Aufgabe für sich und andere Menschen zu finden. Eine Entscheidung, die wir als Gesellschaft sicher nicht bereuen werden! 

 

Victoria Caic

Victoria Caic

stellvertretende Obfrau
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