Grundsätzliches zum Grundeinkommen

  • 5 November 2018
Grundsätzliches zum Bedingungslosen Grundeinkommen

Gemeinhin wird berichtet, das Grundeinkommen stünde in zwei europäischen Ländern kurz vor der Einführung. In Italien würde die Regierung das Grundeinkommen 2019 in Form eines reddito di cittadinanza umsetzen. In Frankreich plane President Macron für 2020 das Grundeinkommen als revenu universel d’activité. Vorweg: Bei beiden Transferleistungen handelt es sich keineswegs um das Bedingunglose Grundeinkommen (BGE). Sinnvoll lässt sich über das BGE erst diskutieren, wenn Funktion und Zweckmäßigkeit klar definiert werden. Was wäre der Kritierienkatalog? Das BGE ist (1) ein individuelles Grundrecht, das (2) alle erreichen soll, (3) ohne Zwang zur Gegenleistung, (4) in Existenz- und Teilhabe sichernder Höhe. Die vier vom internationalen Grundeinkommensnetzwerk (Basic Income Earth Network) festgelegten Kriterien wären weder in Italien noch Frankreich erfüllt.

Grundeinkommen ist finanzierbar

Ein echtes – ein bedingungsloses – Grundeinkommen sei nicht finanzierbar, lautet ein Argument. Demnach wird dem Vorschlag eines BGE Relevanz zugestanden, wenn die Finanzierbarkeit belegt erscheint. Folgender Multiplikator sei vorläufig angenommen: 1000 Euro erhalten zwölfmal im Jahr Erwachsene, Kinder die Hälfte. Dann folgt häufig ein Denkfehler: Das Volumen des Finanzierungsbedarfs wird durch die Formel Einwohnerzahl x Betrag x 12 Monate kalkuliert. Das Produkt wird als Gesamtgröße der Finanzierungslücke angesehen und das BGE als träumerische Vision abqualifiziert. Es sollte jedoch im Moment der Einführung von einem substitutiven Verfahren ausgegangen werden. Sämtliche Bezüge bis zur Höhe des BGE werden durch das BGE ersetzt. Die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) gibt den reinen Fehlbetrag, den es für die Einführung des BGE im Jahr 2018 in Österreich bräuchte, mit 14,8 Mrd. Euro oder 4 % des BIP an. Volkswirtschaftlich betrachtet wäre das BGE ein Nullsummenspiel, der Betrag entspricht dem Volumen einer großen Steuerreform, kein zusätzliches Geld müsste in Umlauf gebracht werden.

BGE ermöglicht Arbeit und Selbständigkeit

Entscheidend ist, ob wir als Gemeinschaft produktiver oder unproduktiver werden, wenn wir einander die Existenz bedingungslos garantieren. Phänomene wie die sogenannten Bullshit-Jobs legen den Schluss nahe, dass der Zwang zu Erwerbsarbeit einerseits viel produktives Potenzial ungenutzt lässt, andererseits gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten monetär nicht entsprechend wertschätzt. Zudem führt der Weg zu sozialem Frieden über sinnstiftende Arbeit, wie schon Sigmund Freud festhielt: “Besondere Befriedigung vermittelt die Berufstätigkeit, wenn sie eine frei gewählte ist. Und dennoch wird Arbeit als Weg zum Glück von den Menschen wenig geschätzt. Die große Mehrzahl der Menschen arbeitet nur notgedrungen und aus dieser natürlichen Arbeitsscheu der Menschen leiten sich die schwierigsten sozialen Probleme ab.“

Politische Organisationen und öffentliche Institutionen aller Couleur enttäuschen, wenn es darum geht, Antworten auf den Wandel der Arbeitswelt und die Wertschöpfung unter postindustriellen Bedingungen zu konzipieren. Selbstständige begreifen das Versagen nahezu intuitiv und erfahren es biographisch. Laut Erhebung der WKO sehen 34% aller potentiellen Gründerinnen und Gründer von ihrer Unternehmung deswegen ab, weil geschäftliches Scheitern die eigene Existenz bedroht. Bereits Friedrich August von Hayek hat sinngemäß festgehalten, dass die Konkurrenz um die eigene Existenz den Wettbewerb um Exzellenz blockiert. Das BGE könnte nun erstmals unternehmerisches Risiko von dieser Gefahr entkoppeln. Bei der Abstimmung zum Bedingungslosen Grundeinkommen 2016 in der Schweiz waren es nicht zufällig Selbstständige, die sich überdurchschnittlich für das BGE ausgesprochen hatten.
 

Im Zeichen der Demokratie

Feldversuche zum BGE zeigen, dass es nachweislich Mut und Freiraum für individuelles Handeln, Schaffen und Denken verwirklicht. Darauf basieren moderne Märkte und Wohlstand. Die ökonomische Begründbarkeit eines BGE erscheint legitim, eindeutig und doch fast zu simpel. Sie führt häufig dazu, die Essenz der Forderung zu verkennen: Nicht die absehbaren Vorzüge für die Volkswirtschaft, sondern die Weiterentwicklung des demokratischen Gemeinwesens durch die Anerkennung von Grundrechten bildet das entscheidende Kriterium für ein BGE.

Foto: Generation Grundeinkommen, CH