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Was hat der Klimabonus mit dem Grundeinkommen zu tun?

veröffentlicht - 12. Dezember 2023
Helmo Pape im Interview
geschrieben von Helmo Pape

Die "marie" ist die Strassenzeitung und Sprachrohr für Randgruppen in Vorarlberg. Redakteurin Daniela Egger im Gespräch mit Helmo Pape von der Generation Grundeinkommen.

Helmo, wir beide vermuten, dass das Grundeinkommen irgendwann kommt – die Frage ist, wann? Wie ist deine Prognose zur Einführung in Österreich?

Je nachdem, welche Krisen uns ereilen, kann es schnell gehen. Wer hat einen Monat vor dem Fall der Berliner Mauer gewusst, dass sich Europa nach 1989 so stark verändern wird? Wer hat 2000 an den Euro geglaubt? Wer hat 2020 gedacht, dass wir mal alle Hotels zusperren und die Luftfahrt weltweit einstellen? Ich sehe eine Zukunft, wo Historiker sich fragen werden, wieso wir überhaupt so lange für das BGE gebraucht haben.

Wie bist du auf das Thema gestoßen?

Ich war in Wien bei einer Großbank im Devisenhandel, als 2008 Lehmann in den USA pleite ging. Es war die Hölle los, es war über Monate nicht klar, welche Banken die Finanzkrise überstehen würden, ob der Euro überlebt. Ich bin davon ausgegangen, dass es einen Notfallplan gibt. Als ich bemerkte, dass dem nicht so ist, habe ich angefangen zu Lösungen zu recherchieren und hatte irgendwann das Buch „Einkommen für alle“ in Händen. Ich dachte zunächst, das wäre ein Roman, das könne nur ein Scherz sein. Ich wollte die Argumentation des Unternehmers und dm Gründers Götz Werner widerlegen, der sagte: „Man kann Arbeit nur bezahlen, wenn man sie bewerten kann. Doch wie soll man die Arbeit einer Mutter, einer Richterin, einer Lehrerin bewerten?“ Ich habe herumgerechnet und bald war klar: Man kann Arbeit nicht objektiv bewerten, ergo nicht objektiv bezahlen. Dann schrieb er: „Einkommen ermöglicht Arbeit!“. Von dieser Seite hatte ich das noch nie gesehen – Einkommen nicht als Ergebnis, sondern als Voraussetzung für meine Arbeit. Das hat mich überzeugt. Erst muss ich leben, dann kann ich arbeiten. Beim Auto gilt ja auch: Erst tanken, dann fahren.

Wie ging es nach dieser Erkenntnis weiter?

Ich habe mich weiter damit beschäftigt und dann die Bank verlassen, um meine kranke Mutter zu betreuen – auch aus der Erkenntnis, dass wir viel mehr Arbeit machen wollen, als bezahlt wird. Einige Jahre später, nach ihrem Tod, war im Juni 2016 die Volksabstimmung zum BGE in der Schweiz. Das war für mich der Anlass, mit Freunden die Generation Grundeinkommen Österreich zu gründen. Seitdem bin ich hauptberuflich und mit Engagement dahinter, mehr über das Thema zu lernen und zu helfen, dass es in die öffentliche Debatte kommt.
Ich habe durch Steuer- und Wirtschaftsexpert:innen verstanden, wie gut ein BGE für eine Volkswirtschaft wirken könnte, wenn man es richtig gestaltet. Der Name löst jedoch Unverständnis aus, was ich verstehen kann. Mir ging es ja genauso. Aber den Klimabonus kann man gut erklären, der klingt gut und ist quasi der erste Schritt zum Grundeinkommen, weil er ähnlich funktioniert.

Kannst du das Prinzip kurz erläutern?

Die Idee war zunächst, die Umweltverschmutzung damit zu verringern, dass Abfall, Abwasser und mit CO2-Steuern auch Abgase mehr kosten sollen. Nun zahlen z.B. beim Tanken alle gleich viel Steuer pro Liter Sprit, was verbrauchsstarke Lebensstile mehr Steuern beitragen lässt, aber wie kommt die arme Pendlerin, die ohne Auto aufgeschmissen ist, zum Geld für die Mehrkosten? Der Gedanke ist simpel und unbürokratisch: Man gibt allen Menschen einen gewissen Geldbetrag als Klimabonus zurück. Wer wenig verbraucht, hat einen kleinen finanziellen Vorteil und ein verbrauchsintensives Leben wird nun trotz Klimabonus teurer. Mit so einem Bonus kann man jede Massensteuer sozial gerecht ausgestalten.

Und wie führt jetzt der Klimabonus zum Grundeinkommen?

Warum beim Klimabonus aufhören? Könnten wir nicht alle Steuern, die der Staat braucht, um zu funktionieren, statt über Arbeit und Einkommen aus Verbrauch und Konsum finanzieren? Das müsste doch Arbeit endlich günstig machen, wenn Maschinen und Billigimporte in die Steuerbasis einbezogen würden. Außerdem wäre eine Steuer, die alle zahlen, gut gegen die Spaltung der Gesellschaft. Konsum als Hauptsteuerquelle? Ginge das? Ja, das ginge! Wie wird das sozial gerecht? Der bürokratische Weg wäre, dass du dem Finanzministerium schreibst, was du gekauft hast und einen Teil der bezahlten Steuern zurückbekommt. Ein Bürokratiemonster.

Wir wissen, dass jeder Mensch konsumieren muss, um zu leben. Also zahlt der Staat für den Konsum der Grundbedürfnisse bürokratiefrei allen, die hier dauerhaft wohnen, ein Grund-Einkommen. Wer mehr konsumieren will, kann sogar steuerfrei dazuverdienen und zahlt dann über die Konsumsteuern in den Preisen wieder mehr zurück an den Staat. Einfach, oder? Für die Idee des BGE ist der Klimabonus der Testlauf – wir sehen, unser Staat ist in der Lage, Geld an alle auszuzahlen. Das gelingt fast perfekt. Sogar Obdachlose konnten einen Wohnsitz bei Verwandten oder Notschlafstellen melden und auch ohne Konto den Klimabonus mit der Post bekommen – in Deutschland ist das Klimageld mit der gleichen Idee noch nicht gelungen. Es ist ökologisch klug, den Konsum anstatt dem Einkommen zu besteuern und eine Steuergutschrift auszuzahlen. Diese kann wie der Klimabonus bedingungslos sein, denn jeder Mensch, der hier lebt, konsumiert. Viele Fragen sind noch zu klären: Von welcher Höhe sollen wir ausgehen, gönn ich das meinen Mitmenschen überhaupt? Dafür sind die Diskussionen erst am Anfang, es wird noch viele Artikel und Berichte brauchen, um Mehrheiten zu finden. Dennoch: eine ökologisch und sozial weit bessere Zukunft ist greifbar nahe.

Hältst du das für realistisch?

Nun, wir erleben drei große Entwicklungen: die eine ist die Digitalisierung. Also, wo soll mein Einkommen herkommen, wenn Kollege Roboter oder Kollege Algorithmus meine Arbeit besser, schneller, billiger macht? Maschinen und deren Eigentum sollten Teil unserer Steuerbasis werden. Der zweite Trend ist die demografische Entwicklung. Wir werden älter, bekommen weniger Kinder und wollen kaum Zuwanderung. Das bedeutet, dass weniger Leute mit ihren Einkommenssteuern mehr Aufgaben finanzieren sollen, was immer schwieriger wird. Das dritte Thema ist die Globalisierung: Dass wir nicht jeden Menschen nach Österreich lassen können ist klar. Bei Waren ist das ähnlich: Billig-Importe haben in Vorarlberg viele Arbeitsplätze in der Textilindustrie gekostet, in Kärnten in der Schuhindustrie und seit Jahrzehnten sinkt die Zahl der Bauernhöfe im Wettstreit mit der globalen Landwirtschaft. Die Politik erkennt erst jetzt, dass der ungehinderte Import von Waren, der Freihandel, in Österreich Betriebe zwingt zu automatisieren oder zuzusperren und das Land zu verlassen.

Was meinst du, wäre ein zukunftsfähiger Weg?

Wir sollten forschen: Wie kann menschliche Arbeit in Österreich billiger sein, ohne Zwang zur Ausbeutung? Da wäre ein ausreichendes Grundeinkommen, finanziert über Konsumsteuern, unser Diskussionsbeitrag. Es wird uns hoffentlich bald gelingen, die Wirtschaft zu überzeugen, dass ein BGE den Standort Österreich aus vier Gründen stärkt. Erstens: Du kannst mit Grundeinkommen ein Unternehmen oder ein Projekt leichter beginnen, weil deine Existenz bedingungslos gesichert ist. Zweitens: Dein Umfeld kann leichter bei dir einsteigen, wenn es deine Idee gut findet, weil alle ebenfalls bereits ein Einkommen haben und nicht volle Löhne und Steuern nötig sind, die das Ganze teuer und riskant machen. Drittens: Unternehmen zahlen erst Steuern, wenn sie etwas verkauft haben, nicht schon vorher, siehe Konsumsteuer. Viertens und wesentlich: Jeder Mensch hat Kaufkraft! Familien und größere Haushalte wären sogar im Vorteil, weil sie mehrere Grundeinkommen vereinen. Wie würde die Wirtschaft in so einem Umfeld agieren? Würden mehr regionale und ökologische Produkte erzeugt, wenn diese billiger wären als Importware?

Was wäre der nächste Schritt, ganz pragmatisch?

Wir suchen Unternehmen, die für ein Einkommen als Gründungsbonus, als Beschäftigungsbonus, als Steuerbonus und Konjunkturbonus Partei ergreifen. Bitte senden Sie uns über www.FÜREINANDER.JETZT eine E-mail. Ich garantiere, die politischen Akteure verstehen ganz bald, was zu tun ist, wenn die Wirtschaft Interesse zeigt. Das Grundeinkommen wäre eine der größten Wirtschaftsförderungen, die Österreich je gesehen hat. Das Ziel ist, einen Bürger:innenrat zu diesem Thema einzusetzen. Viele Details wie die Höhe, die Einführung, die Finanzierung, die Rahmenbedingungen, die Alternativen müssten in diesem Rat erarbeitet werden – das wäre mein Wunsch für die nächsten zwei Jahre an die berühmte Fee.

Danke für dieses Gespräch und viel Interesse für die weiteren Diskussionen.

 

Helmo Pape

Helmo Pape

Obmann
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