Schaffen wir mit dem BGE die Armut ab?
Welchen Effekt hätte die Einführung eines BGEs auf Menschen, die sich illegal im Land aufhalten oder warum ein BGE nicht alle Probleme löst. Teil 2
Eine große Sorge von BGE-Gegnern ist die Vorstellung, dass ein Grundeinkommen, das bedingungslos an alle Menschen, die hier leben, ausgezahlt wird, zu einer Flut an Einwanderer:innen führt, die nicht zu bewältigen ist. Abgesehen davon, dass sich eine solche Flut bisher auch nicht in Ländern gezeigt hat, die einen verhältnismäßig umfangreichen Sozialstaat haben [1], wird bei einem Blick in das österreichische Einwanderungsgesetz relativ schnell klar, dass dieses Drohgespenst nicht wirklich aufrecht zu erhalten ist: Man darf sogar als EU-Bürger nur dann Österreich zum Lebensmittelpunkt machen, wenn man entweder einer Ausbildung bzw. einem Studium nachgeht, oder nachweisen kann, dass man einer Erwerbsarbeit nachgeht, durch die der Lebensunterhalt gedeckt wird [2]. Insofern wird die Einwanderung durch ein (umwandelndes) BGE sogar erschwert, da man vor dem Erhalt eines Hauptwohnsitzes nachweisen müsste, dass der durch Erwerbsarbeit verdiente Betrag mindestens so hoch wie das BGE ist. Legal werden wir also vermutlich nicht an Immigrant:innen ersticken.
Was ist mit illegal Aufhältigen?
Wie sieht es aber aus mit Personen, die sich illegal in Österreich befinden, Staatsbürger:innen aus dem EU-Ausland ohne Einkommensquelle oder aus Drittstaaten ohne Duldung und Aufenthaltsgenehmigung? Für diese Personen sieht die BGE-Welt vermutlich gar nicht so rosig aus: Schon jetzt sind Ausländer:innen von vielen Dienstleistungen und Hilfsangeboten ausgenommen, die dafür gedacht sind, obdachlosen und hungernden Menschen zu helfen, die außer Betteln häufig keine Einnahmequelle haben [3]. Mit einem Grundeinkommen würde sich dieses Problem vermutlich noch verschärfen: Da jede Person, die sich legal in Österreich aufhält, ein Grundeinkommen bekommen würde, das vollständig zur Existenzsicherung reicht, sollte eigentlich niemand mehr in Notunterkünften schlafen oder die Tafeln besuchen müssen. Betteln aus Not sollte eigentlich nicht mehr vorkommen. Dadurch würden aber die Personen ohne Aufenthaltsberechtigung, die ohne BGE in vielen Fällen weiter auf Almosen angewiesen wären, deutlich stärker auffallen als heutzutage. Das Risiko, jemanden um Geld zu bitten, wäre sogar existenziell hoch, da es beispielsweise für die Fremdenpolizei ein Leichtes wäre, sie zu erkennen und für eine Ausweisung zu sorgen.
Das Risiko des BGE
Die Armut wäre damit nicht nur nicht besiegt, sie würde sogar für die am stärksten Betroffenen eventuell noch verstärkt werden. Gibt es für dieses Problem eine einfache Antwort? Vermutlich nicht! Das BGE kann eben nicht alle Probleme lösen. Aber vielleicht gibt es trotzdem einen Hoffnungsschimmer: Viele Probleme, die nicht einfach dadurch gelöst werden können, dass (fast) alle einen zugesicherten Geldbetrag erhalten, brauchen kreative Köpfe, die Zeit und Energie finden, um sich ihrer anzunehmen und eine Gesellschaft, in der nicht jede:r nur dem eigenen Profit hinterherrennt.
Und hier kommt dann doch wieder das BGE ins Spiel, denn genau diese Ressourcen könnten wir uns freischaufeln, wenn unser Leben nicht mehr nur von einer existenzerhaltenden Erwerbsarbeit bestimmt wird.
[1] Corrado Giulietti: The welfare magnet hypothesis and the welfare take-up of migrants. IZA World of Labor 2014: 37
[2] § 9 Abs 3, §§ 51, 53 und 53a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)
[3] https://www.wienerzeitung.at/h/in-wien-wartet-keine-zukunft, aufgerufen am 24.1.2024
https://www.spendeninfo.at/ohne-geld-und-obdach-spendeninfo-at+2400+1117503, aufgerufen am 24.1.2024