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Empirisch gut belegte Auswirkungen des BGE

veröffentlicht - 05. Dezember 2023
Eine Glühbirne wird durch eine Lupe gezeigt mit der Überschrift: A closer Look
geschrieben von Andreas Lechner

In BGE-Diskussionen tauchen immer wieder Fragen über seine tatsächlichen Auswirkungen auf. Daher sehen wir uns hier jene Effekte an, die durch bisherige Feldexperimente empirisch gut belegt sind.

Da das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) noch nirgends eingeführt wurde, lassen sich einige Aspekte nicht gut belegen. Ein Musterbeispiel hierfür wäre der Arbeitsmarkt. Zwar haben bisherige BGE-Versuche optimistische Ergebnisse erzielt, wirklich stringent sind sie allerdings nicht, da vor allem die Langzeiteffekte fehlen. Im Gegensatz dazu sind die anzunehmenden Auswirkungen auf Armut, Verwaltungsaufwand und Gesundheitswesen besonders eindeutig.  

I. Armut bekämpfen: Ein eindeutiger Nutzen des BGE

Eines steht fest: Jede Form eines Grundeinkommens hätte, bei richtiger Einführung, erheblich positive Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung. Wie stark diese Effekte wären, hängt natürlich vom konkreten BGE-Modell ab. Für Österreich gibt es momentan fünf  BGE-Modelle, deren Berechnungen zumindest in der Idealtheorie funktionieren und unser Land zum ersten ohne Armut machen würden.

II. Verwaltungsaufwand reduzieren

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der potenzielle Abbau von Verwaltungsaufwand. Oft wird argumentiert, dass die Umsetzung eines BGEs zu erheblichen Einsparungen in der Verwaltung führen würde, insbesondere in Staaten mit komplexen Sozialsystemen. Doch wie realistisch ist diese Annahme, und wie würde sich der Verwaltungsaufwand tatsächlich verändern? 

Die ernüchternde Antwort ist, dass es abhängig vom BGE-Modell ist. Zum Beispiel würde ein Modell, das auf Lohnabgaben basiert, einen Mehraufwand bei Einkommenssteuererklärungen erzeugen[1], während ein MWSt.-basiertes Modell erhebliche Einsparungen bewirken würde. Im Schnitt würde jedoch jedes österreichische Modell zu einem zumindest leichten Verwaltungsabbau führen, da durch bedingungslose Zahlungen der Aufwand für aufwendige Bedürftigkeitsprüfungen entfällt.

Das AMS würde allerdings in vermutlich abgespeckter Form weiter existieren, da bisherige BGE-Experimente zeigten, dass es lediglich eine Reduktion von 8% bei dessen Nutzung als Jobbörse gab[2]. Durch den Fokus auf die Hilfe bei der Erwerbsarbeitssuche könnte das AMS diesen Service perfektionieren. 

III. Benefit fürs Gesundheitssystem

Die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die gesundheitliche Verfassung der (quasi) BGE-Bezugspersonen sind vermutlich am fundiertesten belegt. Hier gibt es angesichts des demografischen Wandels[3] einen erhöhten Bedarf an praktikablen Lösungen. Die Überalterung der Bevölkerung belastet die Erwerbstätigen aufgrund der solidarisch finanzierten Gesundheitsausgaben zunehmend. Wie könnten BGE-Reformen hier also helfen?

Einen vielversprechenden Einblick bietet das kanadische Mincome-Experiment, das nachweislich zu einem reduzierten Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen führte. BGE-Bezugspersonen wiesen eine um 8,5 % reduzierte Hospitalisierungsrate auf, insbesondere bei psychiatrischer Versorgung[4]. Dieser Effekt lässt sich auch in anderen BGE-Experimenten beobachten[5].

Ein wichtiger Faktor für diese positiven Effekte ist der reduzierte finanzielle Stress, der durch ein BGE entsteht. Finanzielle Unsicherheit kann zu mentalem Stress führen, der wiederum zu Angst und Depressionen beiträgt[6]. Darüber hinaus veranlassen uns Geldsorgen nicht nur dazu, schlechtere (Geld-)Entscheidungen zu treffen, sie machen uns sogar nachweislich dümmer! Eine großangelegte Studie in Indien fand, dass dieser Unterschied bis zu 14 IQ-Punkte betragen kann[7].

Viele dieser positiven Effekte können bereits mit einem geringen BGE erzielt werden, wie die finnische Studie zeigte. Selbst bei einem niedrigen Betrag von 560 € gab es um 40% weniger Depressionen, geringere Einsamkeit, höhere Lebenszufriedenheit und verbesserte kognitive Leistungsfähigkeit (hier sind nur statistisch signifikanten Effekte zusammengefasst[8]). Andere Studien zeigen, dass diese Effekte größtenteils auf der Zuverlässigkeit der BGE-Zahlungen beruhen[9].

Fazit

Insgesamt deuten die empirischen Ergebnisse darauf hin, dass ein Grundeinkommen erheblich positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung haben kann. Das ist umso wichtiger, da in Österreich die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung bis 2050 um mindestens 50% steigen werden[10]. Durch die Kosteneinsparungen eines BGEs können diese Mehrkosten zwar nicht gänzlich kompensiert werden, allerdings könnten die in der Verwaltung freiwerdenden Arbeitskräfte dazu beitragen, den stärker werdenden Personalmangel im Gesundheitswesen auszugleichen. 

Abschließend sei also anzumerken, dass das BGE kein Allheilmittel ist. Es wäre aber auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung und würde in einer gesünderen und leistungsstärkeren Bevölkerung resultieren.

Quellenangaben:
  1. Hauser, R. (1995): Das Bürgergeld – Königsweg oder Irrweg?. In: Caritas 96, S. 483.
  2. Ylikännö, M.; Kangas, O. (2021): Basic income and employment. In: Kangas, O.; Jauhiainen, S.; Simanainen, M. und Ylikännö, M. (Hg.): Experimenting with Unconditional Basic Income. Lessons from the Finnish BI Experiment 2017-2018. Cheltenham, UK: Edward Elgar Publishing, S. 62.
    Lund, S.; Madgavkar, A.; Manyika, J.; Smit, S.; Ellingrud, K.; Meaney, M.; Robinson O. (2021): The future of work after COVID‑19: Executive summary. New York: McKinsey Global Institute.
  3. Kirschner, E.; Katz, N.; Niederl, A.; Gstinig, K.; Janisch, D. (2019): Effekte der Digitalisierung am steirischen Arbeitsmarkt. Graz: Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH, S. 56-58.
    Forget, E. L. (2011): The town with no poverty: the health effects of a Canadian guaranteed annual income field experiment. In: Canadian Public Policy 37, 3, S. 283–305.
  4. Forget, E. L. (2018): Basic Income for Canadians: The key to a healthier, happier, more secure life for all. Toronto: James Lorimer & Company Ltd.
  5. Widerquist, K. (2018): A Critical Analysis of Basic Income Experiments for Researchers, Policymakers, and Citizens. Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan, S. 50-51.
  6. Gupta, R.; Jacob, J.; Bansal, G. (2021): The Role of UBI in Mitigating the Effects of Psychosocial Stressors: A Review and Proposal. In: Psychological Reports 125, 4, S. 1801–1823.
  7. Mani A, Mullainathan S, Shafir E, Zhao J. (2013) Poverty impedes cognitive function. Science. 341(6149), S.976-980. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23990553/
  8. Simanainen, M.; Tuulio-Henriksson, A. (2021): Subjective health, well-being and cognitive capabilities. In: Kangas, O.; Jauhiainen, S.; Simanainen, M. und Ylikännö, M. (Hg.): Experimenting with Unconditional Basic Income. Lessons from the Finnish BI Experiment 2017-2018. Cheltenham, UK: Edward Elgar Publishing, S. 71-88.
  9. Forget, E. L. (2011): The town with no poverty: the health effects of a Canadian guaranteed annual income field experiment. In: Canadian Public Policy 37, 3, S. 56.
  10. Einer Berechnung von Gandjour et al. (2008) zufolge steigen die Gesundheitsausgaben für Erwerbstätige in Deutschland um 57% bis 2050. Der Ageing Report (2021, S. 11) der EU prognostiziert in Österreich einen Anstieg des Abhängigenquotient - dem Verhältnis der Anzahl von Personen zwischen 20-64 Jahren, zur Anzahl von Personen über 65 - von 30,7% im Jahr 2019 auf 55,9% bis 2070, einen höheren Anstieg als den von 36,1% auf 54.7 % in Deutschland (Ageing Report 2020, S. 10)
Andreas Lechner

Andreas Lechner

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