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geschrieben von Patrick Caic-Pröll

Wie sich Reparieren wieder auszahlen könnte

Laut einem aktuellen UNO-Bericht steigt die Menge an Elektroschrott rasant an – und zwar so schnell, dass das Recycling bei weitem nicht mithalten kann. Würde man den in einem Jahr weltweit anfallenden Elektromüll in LKWs packen und aneinanderreihen, würde die Wagenkolonne etwa einmal um den Äquator reichen.[1]

Das hat gravierende Auswirkungen, sowohl für die Umwelt – Elektroschrott beinhaltet beispielsweise Quecksilber und andere umweltschädliche Substanzen, die durch fehlerhafte Entsorgung in die Natur gelangen – als auch für die Wirtschaft, denn durch Nicht-Recycling gehen wichtige, auf der Welt nur begrenzt vorhandene Rohstoffe verloren.

Trotz aller Bemühungen, Recycling-Systeme aufzubauen und zu optimieren, gibt es für dieses Problem wohl nur eine echte Lösung – nämlich weniger Elektroschrott zu produzieren. Doch wie könnte so etwas, zumindest in Österreich, gelingen?

Ein Hauptproblem unserer Wirtschaftsweise, das zum Anfallen von Elektroschrott führt, ist die Wegwerf-Mentalität. Elektroprodukte sind billig und einfach bei diversen Online-Händlern zu bestellen, Reparaturen zahlen sich meistens nicht aus, und zwar aus zwei Gründen: Sie sind zu teuer und sie in Anspruch zu nehmen ist wesentlich aufwändiger, als einfach im Internet ein neues Gerät zu bestellen. Wie lassen sich diese Probleme nun – zumindest teilweise – lösen?

Zunächst muss man sich ansehen, warum Reparaturen monetär so unattraktiv sind. Elektrogeräte werden meistens in Billiglohnländern, hauptsächlich in Asien produziert, wo es kaum bis keine Sozialleistungen sowohl des Staates als auch der Arbeitgeber:innen gibt. Das hält die Kosten und damit auch den Verkaufspreis bei uns niedrig. Zölle wurden im Verlauf der letzten Jahrzehnte kontinuierlich abgeschafft, wodurch die Kostenanteile, die in Österreich anfallen, sehr gering sind. Auf den niedrigen Import-Preis fallen bei uns vereinfacht ausgedrückt noch Personalkosten, Lagerkosten, Verkaufsflächen, Umsatzsteuer und – gerne in Steuerparadiese verschleppte– Gewinnbesteuerung an. Onlineplattformen können auch hier noch massiv Kosten sparen und somit sehr niedrige Preise anbieten.
Ein Handwerksbetrieb, der in Österreich beispielsweise Notebook-Displays repariert, muss hingegen in vollem Ausmaß zum österreichischen Gemeinwohl beitragen. Er muss seine Mitarbeitenden zumindest nach Kollektivvertrag bezahlen und zusätzlich noch die Lohnnebenkosten abführen. Kleine Unternehmen haben außerdem keinen Zugang zu Steuerschlupflöchern und internationaler Steuerflucht. Insgesamt sind also heimische Unternehmen – besonders, wenn sie personalintensiv sind – extrem im Nachteil gegenüber international tätigen Konzernen. Der einzige Kostenfaktor, der – zumindest gemessen am Umsatz – bei beiden derselbe ist, ist die Umsatzsteuer.

Wie löst man nun das Problem? Ideal wäre eine Methode, mit der man die Kosten einer Arbeitsstunde in Österreich senken könnte, und gleichzeitig Importe teurer machen würde. Das zweitere könnte man klassisch mithilfe von Zöllen lösen, diese sind aber international schwierig durchzusetzen. Eine andere – vielleicht bessere – Möglichkeit wäre eine Komplettreform des Steuersystems.

In jedem Verkaufspreis in einem heimischen Geschäft stecken eine ganze Menge an Steuern. Zunächst einmal die – meist 20%ige – Umsatzsteuer. Diese wird auch bei langen Produktionsketten mit mehreren beteiligten Firmen nur einmal, nämlich beim Verkauf an Endkonsumierende, fällig. Doch im Preis versteckt sind auch Steuern und Sozialabgaben auf jede einzelne Arbeitsstunde, die von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zum Verkauf fällig wurden – teilweise im Inland, teilweise im Ausland. Schafft man nun im Inland die Einkommensbesteuerung überwiegend oder gänzlich ab, so hat dies besonders preissenkende Einflüsse auf all jene Produkte und Dienstleistungen, bei denen der Großteil der Arbeitsstunden auch im Inland erfolgen – diese würden ja (zunächst einmal) steuerfrei. Die Nettopreise für beispielsweise einen personalintensiven österreichischen Reparaturbetrieb würden beispielsweise sehr deutlich sinken. Im Gegenzug hätte diese steuerliche Veränderung nur sehr geringe Auswirkungen auf die Nettopreise importierter Elektrogeräte, da hier die Lohnkosten in Österreich ohnehin nur sehr gering waren.

Um den damit einhergehenden Steuerausfall zu kompensieren, könnte man die Umsatzsteuer auf etwa 100% erhöhen – der Verkaufspreis wäre also doppelt so hoch wie der (nun niedrigere) Nettopreis. Dies kann durchaus dazu führen, dass manche Preise im Vergleich zu heute insgesamt sinken könnten, nämlich dann, wenn der Nettopreis zuvor auf weniger als die Hälfte gefallen ist. Dies kann besonders bei Dienstleistungsbetrieben sehr leicht der Fall sein. Für importierte Produkte, wie etwa Elektrogeräte, sieht die Sache aber ganz anders aus. Die Steuerersparnis durch den Wegfall der Einkommensbesteuerung wird nur marginal sein, die Erhöhung der Umsatzsteuer aber in vollem Ausmaß greifen. Das würde dazu führen, dass neue Elektroprodukte empfindlich teurer werden würden – Reparieren würde sich wieder absolut lohnen! Ein zusätzlicher Vorteil dieses Systems wäre außerdem, dass man zwar Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben kann, aber nicht den Umsatz – große Konzerne könnten diese Besteuerung nicht mehr umgehen.

Natürlich gibt es bei dieser Art der Besteuerung aber ein grundlegendes soziales Problem, denn im Gegensatz zur Einkommenssteuer, die progressiv gestaltet ist, wäre der Umsatzsteuersatz für alle Menschen gleich hoch, was die Einkommens- und Vermögensungerechtigkeit in Österreich, die ohnehin schon sehr hoch ist, noch verstärken würde. Um dem entgegenzuwirken könnte man zwei Maßnahmen ergreifen. Zunächst könnte man den naheliegenden Schritt gehen und substanzielle Vermögens- und/oder Erbschaftssteuern einführen (der Großteil der Bevölkerung ist ohnehin dafür[2]). Zusätzlich bräuchte man aber auch eine allgemeine Steuergutschrift, also einen Betrag, den jeder Mensch, der seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat, monatlich erhält, um die fehlende Progressivität der Umsatzbesteuerung sozial auszugleichen. Setzt man diese Steuergutschrift hoch genug an, um davon leben zu können, hat man plötzlich – zusätzlich zu anderen Vorteilen des neuen Steuersystems – ein bedingungsloses Grundeinkommen, das auch noch ökologisch sinnvoll ist, eingeführt.

[1] https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/elektroschrott-recycling-kommt-bei-steigenden-mengen-nicht-hinterher-a-dbfa3398-df7b-4474-8629-0995b5b07a05

[2] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/6271898/Umfrage_Zwei-Drittel-der-Bevoelkerung-sind-fuer-Vermoegenssteuer 

Quelle Bild: https://pixabay.com/de/photos/mann-fernseher-schrottplatz-m%C3%BCll-5963976/

Patrick Caic-Pröll

Patrick Caic-Pröll

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