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geschrieben von Andreas Lechner

In diesem Blog-Artikel werfen wir einen Blick auf das "Making of" des Bedingungslosen Grundeinkommen Experiments in Finnland, sowie es im 224-Seiten starken Studienbericht von den zuständigen Forscherinnen und Forschern geschildert wurde. Bedingungslose Unterstützung aus der Politik gab es allerdings keine, eher das Gegenteil war der Fall.

IDEE! BUDGET! ACTION..?

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) war in Finnland schon länger Thema, da 60-70% der Bevölkerung die Idee befürworten. Die politische Unterstützung dafür begann sich zu formieren, als die Regierung unter Ministerpräsident Sipilä im Amt war. Das Regierungsprogramm dieser Koalitionsregierung von 2015 bis 2019 enthielt die Verpflichtung zur Durchführung eines Grundeinkommens-Experiments. In der finnischen Version des Regierungsprogramms hieß es kurz und bündig: "Toteutetaan perustulokokeilu" (Ein Grundeinkommens-Experiment wird durchgeführt).

Um das Experiment zu planen und durchzuführen, wurde ein Budget von 20 Millionen Euro für zwei Jahre reserviert, nämlich von 2017 bis 2018. In einem Ausschreibungsverfahren erhielt ein multidisziplinäres Forschungskonsortium schließlich den Zuschlag, darunter Forschende aus Sozialwissenschaft, Statistik, Ökonomie und Jura. Die Planung begann im Oktober 2015 mit zwei Hauptaufgaben. Zunächst sollte eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, um verschiedene Modelle für ein BGE zu bewerten (Vor- und Nachteile, Kostenanalyse, Finanzierungsoptionen, Verteilungseffekte, etc.). In einem zweiten Schritt sollte das Konsortium ein endgültiges Modell für das Experiment vorbereiten. Eine wahre Mammutaufgabe, das komplizierte finnische Steuer- und Wohlfahrtssystem mit EU-Gesetzen abzustimmen.

Der Idealtheorie des Konsortiums nach sollten 10.000 Menschen aus allen Lebenslagen ein 2-jähriges BGE erhalten und das mit 20 Millionen Euro Budget. Möglich wäre dies dadurch, dass Sozialhilfeempfänger jene einfach als BGE weiter erhalten würden. Der clevere Leser oder Leserin bemerkte vermutlich bereits den Konjunktiv. Leider scheiterten die Modellentwürfe schlussendlich an der Bürokratie und dem Unwillen der Politik, größere Gesetzesänderungen für das Experiment durch das Parlament zu bringen. Die Forschenden beschrieben auch Spannungen zwischen verschiedenen Verwaltungssektoren und schlechte Koordination auf Länderebene als erschwerende Faktoren.

Forschende sind auch Menschen

Ein halbes Jahr vor Experimentbeginn wurde also klar, dass die bisher ausgearbeiteten Modelle nicht angewendet werden können, da die dafür notwendige Legislatur niemals rechtzeitig verabschiedet werden könnte. Darüber hinaus war die Politik nicht bereit den Experimentstart nach hinten zu verlegen. Das Forschungskonsortium hatte aufgrund des engen Zeitplanes zu diesem Zeitpunkt bereits viel Arbeit investiert, wie die Entwicklung der Auszahlungsplattform oder die Informationsarbeit bei Teilnehmenden, Sozialversicherung und Verwaltung. Dann hat auch noch die Steuerbehörde aufgrund mangelnder Ressourcen die Planung der Modell-Steuersysteme abgebrochen, weil das Finanzministerium keine weiteren Ressourcen zur Verfügung stellen wollte. Somit musste das Experiment kurzfristig mit dem bestehenden Steuersystem auskommen. Schlussendlich wurde fast die gesamte Planung und Modellentwicklung beiseite geschoben, als im Mai 2016 das Sozialministerium vorschlug nur Erwerbsarbeitslosen das BGE auszubezahlen – eine einfache Lösung, da deren relevanten Daten bereits bekannt sind (ansonsten könnten sie ja keine Sozialhilfe beziehen). Im Studienbericht lamentieren die Forschenden ihre „inspirierenden Erwartungen an das Experiment […] im vorläufigen Machbarkeitsbericht [wohingegen] der vorgeschlagene Gesetzentwurf und die finale Fassung für viele eine große Enttäuschung“ war. Sie verwiesen sogar auf ein altes finnisches Märchen, in welchem eine Katze von einer Maus einen Mantel geschneidert haben will, doch es wurden Hosen, als sie die Hosen haben will, wurde es eine Weste, als sie die Weste haben will, wurde es eine Mütze und so weiter.

Die politische Debatte im Parlament

Nach intensiven Diskussionen im Parlament wurde schließlich im Dezember 2016 ein abgespecktes Gesetz über das BGE-Experiment verabschiedet. Die Zielgruppe des Experiments bestand aus arbeitslosen Personen im Alter von 25 bis 58 Jahren, die im November 2016 Basisarbeitslosengeld oder Arbeitsmarktunterstützung erhielten. Aus dieser Zielgruppe wurden zufällig 2.000 Menschen ausgewählt, die für die nächsten 2 Jahre ein BGE von 560 Euro pro Monat steuerfrei beziehen würden. Die Menschen, die nicht ausgewählt wurden, wurden als Kontrollgruppe weiter beobachtet, um die tatsächlichen Auswirkungen des Experiments nachvollziehen zu können. Natürlich haben die meisten Auserwählten im Vorfeld eine höhere Sozialhilfe als 560 Euro erhalten. Dieser Unterschied wurde weiterhin als bedingte Transferleistung ausgezahlt. Bekam also jemand vor dem Experiment 960 Euro im Monat, hat er weiterhin 400 Euro Sozialhilfe erhalten. Interessanterweise hat die konservative „National Coalition Party“ (NCP) im Parlament gegen das Experiment argumentiert, obwohl sie Teil der Regierungskoalition waren. Ob die Kontrolle des Finanzministeriums durch die NCP dazu beitrug, dass keine Ressourcen für die Ausarbeitung gefunden wurden, ist allerdings reine Spekulation. 

 

Andreas Lechner

Andreas Lechner

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