Warum wir einen echten Arbeitsmarkt wollen!
Begriffe wie Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktpolitik oder Arbeitsmarktdaten werden seit langer Zeit regelmäßig verwendet. Vermutlich kommt niemand davon, ohne die Arbeitslosenquote oder die konkrete Anzahl der Arbeitslosen über diverse Medien vermittelt zu bekommen. Doch was ist dieser ominöse Arbeitsmarkt eigentlich?
Ein Markt ist historisch ein Ort, wo Menschen sich treffen, um - beidseitig freiwillig- Güter auszutauschen. Auf diesem Markt entstehen Preise durch Angebot und Nachfrage – ein sinnvoller Vorgang. Nicht jedoch, wenn sich ungleiche Geschäftspartner gegenüberstehen: wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Seit jeher werden die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrer Bedeutung falsch verwendet. Der Arbeitgeber ist derjenige, der die Arbeit annimmt, während der Arbeitnehmer diese gibt und nicht umgekehrt. Die Begriffe leiten sich von Dienstgeber und Dienstnehmer ab, da es als Gnade gesehen wurde, wenn man seinem Herren zu Diensten sein durfte. Ebendiese Geisteshaltung schwebt seither in diesen Begriffen mit.
„Arbeitgeber zu sein“
wird oft als sozialer Akt gepriesen, was jedoch genauerer Betrachtung nicht standhält. Der Verfasser dieser Zeilen hat selbst nie eine Stelle ausgeschrieben, von der er nicht der Meinung war, dass sie für den Betrieb notwendig war, bzw. einen höheren Gewinn erwartete, als die anfallenden Gehaltskosten des Mitarbeiters betrugen. Im Marxschen Sinne war der Verfasser also an der „Expropriation des Mehrwerts“ - also der Differenz zwischen dem Gehalt des Mitarbeiters und dem Gewinn, den diese Tätigkeit für das Unternehmen erzielt - interessiert. Auch scheinen die Unternehmer, die „Mitarbeiter sammeln“ bzw. als Sozialleistung einfach einstellen und „beschäftigen“ eher rar zu sein. Was nicht heißen soll, dass manche Betriebe nicht trotzdem sozial handeln und bei Veränderungen die Mitarbeiter anderweitig im Unternehmen zu beschäftigen versuchen, anstatt direkt zu kündigen.
Ein Mensch, der nicht das Glück hat, ein Stück Land geerbt zu haben, oder Vermögen, von dem man unbeschwert leben kann, muss seine Arbeitsleistung verkaufen, um überleben zu können. Im Jahre 1918 wurde in Österreich zwar eine Arbeitslosenversicherung eingeführt, jedoch war diese seit jeher mit Sanktionen bei Arbeitsunwilligkeit belegt. Wobei diese lange einfach darin begründet lag, dass es weniger offene Stellen als arbeitssuchende Menschen gegeben hat.
Bereits Max Weber (Wirtschaft & Gesellschaft Band 1, S.561, 562) – tief im bürgerlichen Lager verwurzelt - erkannte diese Asymmetrie:
Das formale Recht eines Arbeiters, einen Arbeitsvertrag jeden beliebigen Inhalts mit jedem beliebigen Unternehmer einzugehen, bedeutet für den Arbeitssuchenden praktisch nicht die mindeste Freiheit in der eigenen Gestaltung der Arbeitsbedingungen und garantiert ihm an sich auch keinerlei Einfluß darauf. Sondern mindestens zunächst folgt daraus lediglich die Möglichkeit für den auf dem Markt Mächtigeren, in diesem Falle normalerweise der Unternehmer, diese Bedingungen nach seinem Ermessen festzusetzen, sie dem Arbeitsuchenden zur Annahme oder Ablehnung anzubieten und – bei der durchschnittlich stärkeren ökonomischen Dringlichkeit seines Arbeitsangebots für den Arbeitssuchenden – diesem zu oktroyieren. Das Resultat der Vertragsfreiheit ist also in erster Linie: die Eröffnung der Chance, durch kluge Verwendung von Güterbesitz auf dem Markt diese unbehindert durch Rechtsschranken als Mittel der Erlangung von Macht über andere zu nutzen. Die Marktmachtinteressenten sind die Interessenten einer solchen Rechtsordnung. In ihrem Interesse vornehmlich liegt insbesondere die Schaffung von „Ermächtungungsrechtssätzen“ welche Schemata von gültigen Vereinbarungen schaffen, die bei formaler Freiheit der Benutzung durch alle doch tatsächlich nur den Besitzenden zugänglich sind und also im Erfolg nur deren Autonomie und Machtstellung stützen.
Kurz gesagt: Der aktuelle Arbeitsmarkt hilft denen, die die Produktionsmittel besitzen und ist vielleicht eine schlimmere Form der Unterdrückung als ein offen autoritäres System. Dies widerspricht der Grundidee eines Marktes, dass beide Seiten gleich gut “Nein” sagen können. Somit gibt es streng genommen keinen Arbeitsmarkt.
Aber langsam entsteht dieser Arbeitsmarkt für gut gebildete Personen. Der Fachkräftemangel ist mehrheitlich hausgemacht – die große Pensionierungswelle kommt gerade erst - und ist Ausdruck der Tatsache, dass nun viele Mitarbeiter tatsächlich die Wahl und somit auch die Möglichkeit haben „Nein“ zu einem Arbeitsangebot zu sagen. Dies führt zu massiven Verwerfungen in Unternehmen, da es nun darum geht, sich bei potenziellen Mitarbeitern zu bewerben und nicht mehr umgekehrt. Flexibilität – bis dato von Unternehmen von den Mitarbeitern gefordert – wird nun von einer neuen Generation gut gebildeter Arbeitnehmer von den Unternehmen gefordert.
Die Alterspyramide
hat sich in einen “Altersdöner” verwandelt. In den nächsten zehn Jahren werden etwa 1.2 – 1.4 Mio Menschen in Pension gehen. Dem gegenüber stehen knapp unter 900.000 Menschen die am Arbeitsmarkt ankommen. Dies ist der Zeitpunkt, wo der Fachkräftemangel in einen generellen Arbeitskräftemangel übergeht.
Zuwanderung qualifizierter Einwanderer:innen bietet den einzigen kurzfristigen Ausweg aus dem Mangel. Doch da im derzeitigen politischen Klima nicht davon ausgegangen werden kann, dass wir “Integrationsweltmeister” werden, wird ein wachsender Arbeitskräftemangel entstehen – früher mit dem Wort „Vollbeschäftigung“ beschrieben - und dreht das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt weiter zugunsten der Mitarbeiter.
Dies ist ein äußerst erfreulicher Umstand, der durch die Einführung eines BGEs beschleunigt werden könnte, denn seit einiger Zeit wirken Marktkräfte nicht als „race to the bottom“ sondern haben sich in eine Aufwärtsspirale verwandelt, wo zumindest um gut qualifizierte Arbeitskräfte geworben wird und man ständig mit besseren Arbeitsbedingungen aufwartet, um als guter Arbeitgeber zu gelten. Würde wirklich jedem Menschen die Möglichkeit gegeben zu schlechten Arbeitsbedingungen „Nein“ zu sagen, welcher Paketfahrer würde noch die Arbeitsbedingungen ertragen und danach in seinem Lieferwagen schlafen, da er sich die Miete nicht mehr leisten kann?
Es würde Geschäftsmodellen, die auf der Ausbeutung von Mensch und Natur beruhen, der Nährboden entzogen. Der Wettbewerb um Mitarbeiter hat bereits begonnen – ein BGE würde diese Transformation beschleunigen und eine neue Untergrenze einführen, auf der Menschen selbst entscheiden können, zu welchen Bedingungen sie “Ja” sagen wollen. Dies wäre wirksamer als rechtliche Untergrenzen – denn diese muss immer von der schwächeren Seite eingeklagt werden. Erst dadurch wird ein Marktmechanismus in Gang gesetzt, wo unattraktive Arbeit attraktiviert oder automatisiert werden müsste und sich Leistung wirklich lohnen würde.
Ein gut gestaltetes BGE würde zum ersten Mal in der Geschichte einen tatsächlichen Arbeitsmarkt schaffen – mit freien Vereinbarungen zwischen freien Bürgern.